Mangas sind ja durchaus für ihre thematische Bandbreite bekannt, gerne ist das Material bunt, knallig, Fantasy-haft und für unsere Breitengrade auch nicht immer logisch-rational nachzuvollziehen. Aber mit seinem Zweiteiler schießt Takeshi Ohmi zweifelsohne den Vogel ab. Denn das Thema hier sind nicht blauhaarige Elfen, postapokalyptische Szenarien oder farbenfrohe Charaktere, sondern – Hämorrhoiden (allein an der Rechtschreibung dürften hier viele scheitern…). Sämtliche Gags, die einem einfallen (und das sind ‘ne ganze Menge!) bleiben einem irgendwie im Halse stecken, wenn man gebannt die Abenteuer des jungen Teruki verfolgt, der ein ganz normaler Schüler ist, der eine Holde anhimmelt und mit seinen Kumpels abhängt. Das Problem dabei ist nur sein äußerst schmerzhaftes Geheimnis: er leidet unter ziemlich ausgeprägten (genauer gesagt äußeren, wir lernen dazu, auch wenn das mehr ist als wir jemals wissen wollten) Hämorrhoiden, was ihm allerdings derart peinlich ist, dass er zu immer absurderen Verrenkungen greift, um seine Schmerzen zu verbergen: künstliches Lachen, plötzliches Entfernen aus Menschenansammlungen. Seine Angebetete ansprechen? Unmöglich, just in dem Moment könnte ja das böse Monster zuschlagen.
Aber dann kommt Rettung aus einer völlig unerwarteten Ecke: eine unscheinbare und einfach nur seltsame Mitschülerin sagt ihm auf den Kopf zu, was er doch allzu gerne im Hosenboden behalten würde – und bietet ihm an, sich um ihn zu kümmern. Bis zu den Sommerferien, damit er genug Geld für die Operation sparen kann und dann keiner merkt, wenn er ein paar Tage im Krankenhaus liegt. Sie weiß nur allzugut, wie es ihm geht, schließlich leidet sie ebenso und will HFFs, Hämorrhoiden Freie Freunde, mit ihm sein (ich erfinde hier nichts). Nachdem sie ihm durchaus drastisch ein wenig Salbe verabreicht und ihn damit wenigstens zeitweilig von seinen Qualen erlöst, willigt Teruki in einen mehr als absonderlichen Deal ein: seine Leidensgenossin hilft ihm – und darf im Gegenzug seine Private Parts studieren, um sich auf ihren künftigen Beruf als Proktologin vorzubereiten. So beginnt eine wechselhafte Beziehung, in der Teruki plötzlich völlig anderes Zeugs essen muss, anhand von liebevoll gezeichneten Schautafeln alles über die Feinde in seinem Hintern erfährt – und seiner Angebeteten immer weniger erklären kann, wer denn diese andere Dame ist, die sich so aufopferungsvoll um ihn kümmert…
Dass man es im Land der aufgehenden Sonne teilweise mit Fetischisten zu tun hat, die auf Schulmädchenkostüme abfahren und gebrauchte Unterhosen aus Automaten kaufen, das ist ja nicht ganz neu, aber dieses Thema hatten wir dann doch noch nicht. Ohmi verbindet die teilweise farcenhaft-komödiantische Handlung eines typischen Teenie-Dramas – Junge liebt Highschool-Mädchen, traut sich nicht, eine andere tritt auf, es wird schwierig – mit wohl durchaus ernst gemeinter Aufklärung in Sachen Venenklumpen an delikaten Stellen. In den Erläuterungen seiner Helferin erfahren wir alles und noch viel mehr über Entstehung, Verlauf und Bekämpfung dieser Krankheit, die einem das Leben wohl in der Tat zur Hölle machen kann. Fantasyhaft überhöht erscheint der Feind dem Leser deshalb gerne mal als Teufel oder Dämon, die Retterin als Heldin und Teruki selbst als strahlender Ritter, nur um in der Folge wieder satirisch-gebrochen auf den Boden der analen Tatsachen zurückgeholt zu werden.
Auf der einen Seite steht hier der sicherlich honorige Versuch, ein totgeschwiegenes Thema auf eine informative und, ähem, unterhaltsame Art zu beleuchten und dabei den einen oder anderen Denkanstoß z.B. in Richtung Ernährung zu geben (Teruki bekommt nur noch selbst gekochte, gesunde, ballastreiche Nahrung in seine Bento-Box, also in seine Lunchbox, gepackt, und das tut schließlich jedem gut). Andererseits kann man sich des Eindrucks nicht ganz erwehren, dass in diesem Seinen-Manga (also einem Werk in dem auf heranwachsende männliche Leser zielenden Stil) jemand der Anal-Faszination frönt und sich in den gewählten Bild-Perspektiven dabei immer wieder verrät. Sei’s drum, die Story ist in Japan sattsam erfolgreich und geht auch hierzulande im Juni in die zweite und letzte Runde. Wir wünschen in jedem Fall gute Besserung! (hb)
Kiss my Ass, Band 1
Text & Bilder: Takeshi Ohmi
180 Seiten in schwarz-weiß, Taschenbuch
Carlsen Verlag
7,95 Euro
ISBN: 978-3-551-73679-6