Waisen – Ringo, Band 1 (Cross Cult)

September 10, 2015

Waisen - Ringo, Band 1 (Cross Cult)

Nicht allzu fern in der Zukunft: die Erde ist ordentlich verwüstet. Kein Wunder, ist man doch einem verheerenden Strahlenangriff durch außerirdisches Kroppzeug zum Opfer gefallen, der die Zivilisation weitgehend plattgemacht hat. Ein ganzes Heer von Kindern steht plötzlich ohne Eltern da und zieht als die titelgebenden Waisen gegen die Invasoren in den Krieg. Das klappt noch leidlich gut, aber aus dem Chaos erhebt sich eine vermeintliche Retterin, die sich schnell als brutale Diktatorin entpuppt: Jsana Juric regiert als Kriegsheldin und Präsidentin mit eiserner Hand, unterstützt von ihrer Terrortruppe, durchaus rabiaten Cyborgs namens Krähen. Dagegen erhebt sich alsbald eine Revolution unter Führung des auch „Pistolero“ genannten Ringo, der allerdings in einer ersten Konfrontation den Kürzeren zieht und von der Bildfläche verschwindet.

Hier setzt nun der neue Zyklus in der in Italien umjubelten Science Fiction-Saga von Roberto Recchioni an: der Untergrund brodelt nach wie vor, immer jüngere Freiheitskämpfer verüben todesverachtende Attentate auf die verhasste Präsidentin. Bei einem Versuch, der allerdings kläglich scheitert, geraten die drei Idealisten Laura, Seba und Nué in Gefangenschaft, die nur mit ihrem publikumswirksam inszenierten Tod enden kann. Das will die Rebellenanführerin Barbara nicht tatenlos zulassen und reaktiviert den alten Kämpen Ringo, für den sie ein so einfaches wie zwingendes Argument bereit hält: einer der drei Kids ist ihr gemeinsames Kind, von dem der überraschte Ringo bislang aber so gar nichts wusste. Bewaffnet mit einem magnetischen Bogen, der höchst explosive Pfeile verschießt, stürmen Ringo und Barbara das zum Gefängnis umfunktionierte Stadion und befreien tatsächlich die todgeweihten Mitstreiter. Aber der eigentliche Kampf beginnt erst, als Barbara bei der Befreiungsaktion umkommt und Ringo die drei Jungspunde durch gefährliches Terrain führen muss, hin zu lange vergessen geglaubten Rebellenstützpunkten und immer gehetzt von den Krähen der ihn leidenschaftlich verfolgenden Präsidentin…

Der italienische Starautor Recchioni, der u.a. als Chefredakteur der Endlos-Serie ‚Dylan Dog‘ fungiert und mit seiner Reihe ‚John Doe‘ für Furore sorgte, liefert mit seinem Epos ‚Orfani‘ eine zwar nicht umwerfend originelle, aber schmissig ausgeführte Handlungsprämisse. Das Szenario der zerstörten Erde und der gegen Aliens kämpfenden Jugendlichen wirkt wie eine Melange aus Mad Max, Enders Game, Halo und Starship Troopers, wobei sich der neue Handlungszyklus ‚Ringo‘ im Gegensatz zu den Episoden, die auch den Krieg mit den Invasoren beleuchtete, ausschließlich auf die Geschehnisse auf der geknechteten Erde fokussiert. Im Nachwort weist Recchioni selbst darauf hin, dass das Motiv des einsamen, zynischen Kämpfers, der von rachsüchtigen Halbwesen verfolgt wird, auch die Basis für seine Werke ‚John Doe‘ und ‚Detective Dante‘ bildete – eine Grundkonstellation, die fest in der populären Kultur verankert ist.

Ringo ist der typische reaktivierte Outlaw-Rebell, der gegen das System angeht, das ihn eigentlich schon kaltgestellt hatte (80er-Jahre-Actionfilme lassen grüßen), das Fähnlein der aufmüpfigen Teenager führt er wie weiland Mad Max oder auch sein Namensvetter in John Fords Westernklassiker durch die verödete Erde, wobei er wie eine Mischung aus Hawkeye und Green Arrow seinen Gegnern mit Pfeil und Bogen Mores lehrt. Die Handlung schreitet dabei schnell und schnörkellos voran, ebenso geradlinig sind die Zeichnungen von Emiliano Mammucari, die in klarem Stil und regelmäßiger Panel-Aufteilung die Handlung ohne allzu künstlerische Attitüde transportieren. So entsteht das, was Recchioni als „Unterhaltungscomic mit einem Hauch Politik“ bezeichnet – nihilistisch angehauchte Endzeit-Action mit Gegenwartsbezug, ohne allzu schwere Kost, die zu Lasten von Spannung und Lesespaß geht. Waisen, das bei Cross Cult im Taschenbuch-Format à la ‚The Walking Dead‘ erscheint, ist die erste Farbserie des italienischen Verlags Bonelli. Band 2 des Ringo-Zyklus, ‚Nummer Vier‘, erscheint auch hierzulande noch im September. (hb)

Waisen – Ringo, Band 1: Am Leben
Text: Roberto Recchioni
Bilder: Emiliano Mammucari, Massimo Carnevale
208 Seiten in Farbe, Hardcover
Cross Cult
19,80 Euro

ISBN: 978-3-86425-692-9

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