„Where no man has gone before”. Der berühmte Satz aus Star Trek trifft auch auf die neue Reihe ‚Death Experience‘ zu. Doch reist man hier nicht in andere Galaxien, ja man verlässt nicht mal die Erde. Es ist auch keine Reise ins Ich. So ähnlich höchstens und doch ganz anders. Man versucht etwas Einzigartiges, noch nie Dagewesenes: eine Reise zum Übergang zwischen Leben und Tod.
Die Geschichte spielt in naher Zukunft, im Jahre 2019. Initiatorin des ungeheuerlichen Unternehmens ist die Milliardärin Katlyn Fork, Chefin des Industrie- und Rüstungskonzerns Fork Industries. Ihr geliebter Sohn Matt liegt seit zehn Jahren im Koma, ohne Aussicht auf Besserung oder gar Heilung. Es gibt keine Hoffnung für ihn. Er ruht in einer Kältekammer und wartet auf den Tod. Und genau dorthin möchte ihn seine Mutter begleiten und ihn dabei eventuell retten. Ein letzter Strohhalm. Gelingen soll das mit einem hochtechnisiertem ‚Schiff‘, der Barke des Ra (nach der Sonnenbarke des ägyptischen Gottes, die in der Nacht das Reich der Toten, die Unterwelt, befuhr). Katlyns Team besteht aus Wissenschaftlern, Geistlichen, Kampfpiloten und Regierungsagenten.
Gleich zu Beginn des Experiments droht schon das Scheitern. In den 11 Minuten, in denen Matt klinisch tot ist, passiert nichts. Doch gerade als man ihn wiederbeleben will, dematerialisiert sich das Schiff (nennen wir es so) – die Reise beginnt. Bald scheint es, als flöge man durch einen Tunnel, an dessen Ende ein Licht scheint. Es folgen seltsame Begegnungen: Chefingenieur Levy sieht sein Leben vorüberziehen. Die Crew sieht ihr eigenes Ich. Magische Momente. Doch dann gibt es einen ersten Toten. Bald droht die Situation zu eskalieren und eine Rückkehr erscheint fraglich. Fortsetzung folgt.
Das ist in der Tat eine mutige Nummer, die Denis Bajram (Universal War Two), Valérie Mangin (Alix Senator) und Jean-Michel Ponzio (Das Pelikanprotokoll, Der Schimpansenkomplex) da abliefern. Neuland sozusagen. Und schwierig. Wie stelle ich mir das Jenseits vor, wie stelle ich es dar? Oder gar eine Reise dorthin? Bei der der Leser ganz der Fantasie der Autoren und Zeichner ausgesetzt ist, gibt es doch keine Marken oder Anhaltspunkte, an denen man sich orientieren kann. Und: wie erkläre ich das, was da gerade vor sich geht, halbwegs wissenschaftlich und plausibel? Das wollen die Autoren und bemühen dafür futuristische Technik: Tachyonen, Teilchen, die schneller als das Licht sind – und deren Existenz bisher nicht bewiesen ist. Begriffe wie Quantenverschränkung oder Bruch in der Realität fallen. Inszeniert ist das Ganze spannend, zuerst die Ruhe vor dem Sturm, das Anheuern der Crew, die Vorbereitungen. Auf der Mission selbst wird es bald dramatisch. Unerwartete Dinge geschehen. Die ‚Tunnel-Fahrt‘ gleicht einem Raumflug, wobei sich filmische Vorbilder wie ‚2001: Odyssee im Weltraum‘ oder ‚Contact‘ erkennen lassen (auch die ‚Raumhelme‘ ähneln denen von 2001).
Die Story konzentriert sich (bis jetzt) ganz auf das Unternehmen und dessen technische Realisierung. Ethisch-religiöse Proteste und die Fragen nach Moral werden weitgehend ausgeblendet. Nur draußen vor dem Konzerngebäude sieht man Anhänger aller Religionen aufgrund vager Medienberichte demonstrieren. Zeichnerisch ist Ponzio wieder eine Klasse für sich. Die Bilder sind wie immer beinahe fotorealistisch, v.a. die Darstellung der Gesichter und deren Mimik beeindrucken einmal mehr und sehen aus, als würde sie realen Vorbildern entstammen. Maschinen, Apparaturen und das Schiff selbst erscheinen zweckmäßig, als könnten sie in einigen Jahren als Forschungsexperiment in einer geheimen US-Einrichtung entstehen. Nichts ist überdreht gestaltet oder dargestellt. Die Autoren versuchen auf dem Boden zu bleiben. Sofern das bei dieser heiklen Thematik möglich ist… Im Oktober erscheint Band 2 dieser außergewöhnlichen Mischung aus Grenzwissenschaft und Glaube. Wir sind gespannt. (bw)
Death Experience, Band 1: Die Barke des Ra
Text: Denis Bajram, Valérie Mangin
Bilder: Jean-Michel Ponzio
48 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
14,80 Euro
ISBN: 978-3-95839-027-0