Weisser Schatten (Splitter)

März 16, 2015

Weisser Schatten (Splitter)

Königreich Etelkoz (was für ein Name…). Hier herrscht König Benedek. Ein schwer kranker, ans Bett gefesselter Monarch, der vor Jahren von einem Unbekannten vergiftet wurde. Trotzdem hat er sein Reich und die rivalisierenden Familien im Griff. Noch. Doch jetzt ist sein Sohn, Prinz Mozes, verschwunden, angeblich entführt von einer wilden Bestie. Um dadurch das Reich nicht zu destabilisieren und stattdessen Zusammenhalt zu demonstrieren, ruft der König die Köpfe der Familien zusammen. Alle sollen sich an der Suche nach Prinz Mozes und an der Jagd nach der Bestie beteiligen. Doch die Hatz endet für etliche Teilnehmer tödlich. Was nicht an der Bestie liegt. Denn hinter der steckt ein einfacher Söldner namens Otto, der nur auf höheren Geheiß handelt. Vielmehr dezimieren sich die Adeligen selbst, indem sie gierig und skrupellos eigene Machtpläne verfolgen und eine Schwächung des Königs und seines Reiches herbeiführen wollen.

Wie es scheint könnte Graf Atras am Ende die Nase vorn haben. Der hatte zu Beginn aus der Ferne die Strippen gezogen (ein Motiv, das wortwörtlich genommen, ebenfalls eine wichtige Rolle spielt) und nur eine fesche Jägerin geschickt. Nach seinem Auftauchen kommt er schnell hinter das Geheimnis des Königs und reißt – zumindest kurzfristig – die Macht an sich. Aber am Ende des Dramas ist doch wieder alles anders. Denn Prinz Mozes, geschützt von Otto, wird noch eine entscheidende Rolle spielen.

Lügen, Intrigen, Verrat. Habgier, Machtgier. Das sind die zentralen Motive, um die sich die gesamte Handlung dreht. Jeder spielt ein falsches oder gar doppeltes Spiel. Dabei gehen die Autoren so gar nicht zimperlich mit ihren Charakteren um. Viele werden eingeführt, nur um nach wenigen Seiten ganz unprätentiös wieder dahinzuscheiden. Meist gewaltsam. Andere halten länger durch bis ein Konkurrent dann doch kurzen Prozess macht. Das bringt Vor- und Nachteile beim Leser. Vorteil: es wird in keinster Weise langweilig, ständig wechseln Perspektiven und Ziele der handelnden Personen. Dementsprechend gibt es – teils erwartete, teils überraschende, teils nachvollziehbare, teils unrealistische – Wendungen in der Handlung. Nachteil: kaum wird jemand in die Story eingebracht, ist er auch schon wieder weg. Und es gibt viele Personen darin. Und kaum eine wird charakterlich ausgeprägt. Das ist anstrengend und fördert nicht gerade den Lesefluss. Und: die Hauptfigur – der Söldner Otto – bleibt seltsam blass. Zwar treibt er auch ein doppeltes Spiel und verfolgt ein uneigennütziges Ziel, aber bis auf die Entführung des Prinzen verhält er sich oft passiv (oder damit auch geschickt?) – vielleicht auch ein Grund, weshalb er am Ende zu den Überlebenden der Story zählt.

Und die Zeichnungen? Die passen perfekt zu der kalten, kargen Fantasy-Welt (wobei ein echtes Fantasy-Motiv genau einmal zum Tragen kommt, dann aber entscheidend), die der ganzen Nomenklatur nach ungarisch angehaucht ist. Mal in groben, mal in feinen Linien gehalten, immer kantig, modern und auf den Punkt genau. Farblich dominieren Erdtöne und dunkle Farben, viele Personen tragen Schwarz. Auch hier spielt die Farbgebung der Thematik zu. Fazit: ein Double-Album mit Licht und Schatten, Weisser Schatten eben. Insofern dann doch wieder passend. (bw)

Weisser Schatten
Text: Antoine Ozanam
Bilder: Antoine Carrion
96 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
19,80 Euro

ISBN: 978-3-95839-010-2

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