Tale of Sand (dani books)

Oktober 2, 2014

Tale of Sand (dani books)

Fragezeichen. Viele Fragezeichen schon beim ersten Blick auf das Cover. Ein Comic von Jim Henson? Nach einem – noch dazu vergessenen – Drehbuch? Jetzt erst? Jim Henson. Klar – Erfinder und Macher der Muppets und der Sesamstraße. Puppenspieler, Yoda-Schöpfer. Früh gestorben, 1990, mit nur 53 Jahren. Das ist beinahe Allgemeinwissen. Dass er Filmregisseur war, wissen wir auch – Labyrinth, Der Dunkle Kristall. Weniger dagegen ist bekannt, dass Henson schon in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts experimentelle Filme machte. Damals entstanden skurrile Werke wie Time Piece (der 1965 für einen Kurzfilm-Oscar nominiert war und der auf youtube ratlos zu bestaunen ist) oder The Cube (1969, auch bei youtube). In diesem Kontext – weit entfernt von Kermit, Krümelmonster & Co. – muss man Tale of Sand sehen. Denn Tale of Sand sollte ein weiterer surrealer Film werden. Ein abendfüllender noch dazu. Von dem Drehbuch entstanden zwischen 1967 und 1974 drei Versionen, die allesamt von den Filmstudios abgelehnt wurden. So wanderte das Projekt ins Archiv, zumal Henson und Jerry Juhl, sein kongenialer Mitarbeiter, großen Erfolg mit ihren Puppensendungen hatten. Für experimentelle Filme war da kein Platz mehr.

Die Comic-Story beginnt mit einem fließenden Übergang von den Seiten des Original-Drehbuchs zu den ersten Panels und schließlich zum Beginn der bildlichen Handlung. Schon mal ein gelungener Start. Wir treffen Mac, unseren Helden – über den wir nichts, aber auch gar nichts erfahren – wie er in einer typischen Westernstadt in eine große Feier gerät. Bald wird er mit großem Tamtam auf Händen getragen, gefeiert und zum Sheriff gebracht. Was er nicht weiß: er ist Kandidat und Hauptperson in einem perfiden Spiel. Der Sheriff zeigt ihm eine Landkarte mit seinem Ziel. Sein Ziel als Gejagter. Er bekommt seltsame Gegenstände in die Hand gedrückt, 10 Minuten Vorsprung, und dann geht’s los. Sein Gegenspieler, sprich, sein Verfolger ist ein hagerer Dandy mit Augenklappe. Und der hat es wohl tatsächlich auf Mac abgesehen. Eine wilde Jagd durch eine Westernlandschaft, vielleicht dem Monument Valley, beginnt. Darin stolpert unser Held von einer Kalamität in die nächste, wobei jegliche Logik außer Kraft gesetzt wird. Die skurrilen Episoden bestehen u.a. aus seltsamen Begegnungen mit diversen Personen (schöne Hommage: ein Regisseur trägt die Züge Jim Hensons) aus verschiedenen Zeiten und Kulturen, die im Monument Valley normalerweise nichts verloren haben. Im Laufe der Handlung wird Mac nicht nur von seinem Gegenspieler gejagt, es gesellen sich auch Araber und Footballspieler dazu. Worte werden ganz wenige verschwendet. Seitenlang wird nur die kuriose, wilde Hatz geschildert. Auch garniert mit zahlreichen Slapstick-Elementen. Am meisten plappert noch der alte Melrose Merly, den Mac in einer weiteren Westernstadt trifft und der ihn ständig verrät. So bleiben bis zum Schluss die Landschaft und der Westernhintergrund die einzige Konstante in der Geschichte. Ach ja, der Schluss. Das Ende ist durchaus überraschend und lässt Raum für Interpretationen, deshalb lassen wir es besser mal außen vor. Da muss der Leser selbst ran.

Die Seitenaufteilung ist unkonventionell. Oft gibt es keine klare Panelstruktur, sondern große gemalte Bilder der Schauplätze, ohne Tusche (Aquarell?). Darin kleinere Panels, in denen in fast filmischer Abfolge die Handlung gezeigt wird. Die Zeichnungen selbst sind aufwändig und stilsicher. Man merkt, dass Pérez sich mit ganzem Herzen der Adaption gewidmet hat. Was sicher kein leichtes Unterfangen war. Auch die Farbgebung ist anders als man es von einem Western-Setting erwartet. Und sehr abwechslungsreich: manchmal fast monochrom, als Variationen eines Farbtons. Dann wieder grell oder sich am psychedelischen Stil Ende der Sechziger, Anfang der Siebziger Jahre orientierend (Stichwort ‚Textmarkerfarben’), also die Zeit, in das Drehbuch auch entstand. Der Band, der von aufschlussreichen Sekundärartikeln eingerahmt wird (samt Skizzen und Entwürfen von Zeichner Pérez – der wird übrigens Gast am Stand von Panini auf der Comic-Action in Essen sein, ab 16. Oktober), wurde 2012 mit drei Eisner und zwei Harvey Awards (u.a. bestes Graphic Novel, bester Zeichner) ausgezeichnet. Ein schöner, edel gestalteter Band. Ein Kuriosum aus einer anderen Zeit, das via Comic in die Gegenwart transportiert wurde. Und das durchaus beeindruckend und erfolgreich, vor allem in der Kategorie ‚Mal Was Anderes’. (bw)

Tale of Sand
Story/Originaldrehbuch: Jim Henson, Jerry Juhl
Zeichnungen/Adaption: Ramón K. Pérez
160 Seiten in Farbe, Hardcover
dani books
24 Euro

ISBN: 978-3-944077-41-3

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