Stell Dir vor, Du wachst auf und bist tot. Blöder Spruch, aber genau das passiert der jungen attraktiven Rachel Beck aus der US-Kleinstadt Manson. Irgendwie gräbt sie sich mit bloßen Händen aus einem Erdloch an einem Ort, den man Firehill nennt. Dort sollen – wie man später erfährt – schon früher unheimliche Dinge geschehen sein.
Ihre vertraute Umgebung reagiert – verständlicherweise – seltsam auf sie. Sie hat sich optisch verändert (tot – klar), wird nicht erkannt, anfangs auch von ihrer beste Freundin Jet nicht. Ihre Augen sind seltsam, blutunterlaufen. Sie trägt Würgemale am Hals. Irgendwer wollte sie umbringen. Aber wer? Und warum? Und warum ‚lebt‘‚ sie noch/wieder? Bald geschehen in Manson merkwürdige Dinge. Eine unbekannte Frau taucht wie aus dem Nichts auf. Daraufhin tötet Zoe, ein Kind, seine Schwester. Scheinbar grundlos. Die Frau erscheint wieder, dann tötet ein Mann seine Ehefrau in spe. Und Rachel wird in den Mord verwickelt. Stirbt offenbar erneut. Bis ihre Tante Johnny schließlich erkennt, was mit Rachel los ist: sie kann nicht sterben, sie ist bereits tot, bzw. in einem Zustand, der dem Tod sehr nahe kommt. Da taucht die Frau, die Todesbotin (?) wieder auf, wieder mit fatalen, drastischen Folgen, diesmal auch für Rachel…
Vorsicht, liebe Strangers in Paradise Fans! Rachel Rising ist zwar auch von Terry Moore und seine aktuelle Serie. Aber doch sowas von anders. Hier gibt es keine Romanzen, keine Beziehungskrisen. Hier regiert der blanke Horror. Selten hat ein Autor/Zeichner einen so gewagten Genrewechsel so erfolgreich vollzogen (Rachel Rising wurde bereits mit dem Harvey Award als beste neue Serie ausgezeichnet). Der Horror wird hier einmal von der Story transportiert und vermittelt: das Mysterium um die ‚fast‘ tote Rachel, grausame Morde, seltsame Geschehnisse und Erscheinungen, die vorerst einfach passieren und nicht erklärt werden. Schaurig. Aber auch vom Ort des Geschehens und von den Figuren gehen eine gehörige Portion Grusel und Unbehagen aus: Manson (nomen est omen?) ist ein typisches US-Nest und dessen vermeintliche Durchschnittsbürger – zumindest die, die wir im Verlauf der Handlung kennenlernen – haben entweder einen massiven Schaden oder eine Leiche im Keller, ja durchaus auch wörtlich gemeint. Rachels geliebte Tante Johnny ist Leichenbeschauerin und verliert gerne den Bezug zur Realität. Der vermeintliche Pflegevater von Zoe entpuppt sich als sadistischer Kinderhasser. Der Arzt, der Rachels Zustand diagnostiziert, ist Norman Bates‘ Bruder im Geiste. Die Stadt wird in kühle Bilder getaucht, es ist oft Nacht, was beides den gruseligen Charakter unterstreicht. Kaltes Schwarz-Weiß beherrscht den Band – es ist ja im Prinzip der gleiche Zeichenstil wie bei Strangers in Paradise, höchstens etwas reifer und kantiger, aber aufgrund der Handlung nimmt man die Bilder eben ganz anders wahr. Ständig wartet man auf neues Unheil und wird nicht enttäuscht.
Und wie geht es weiter? Warum ‚lebt‘ Rachel? Wer ist die mysteriöse Blonde, die offenbar nur für Auserwählte sichtbar ist und die ein Vorbote des Todes zu sein scheint? Was passierte am Firehill, welche grausige Geschichte birgt dieser Ort? Und was hat Terry Moore geritten, den Band mit solch einem Paukenschlag zu beenden? Ein Band, der erstaunt, der erschreckt, der fesselt – kurzum, ein Auftakt, der alles richtig macht. Band 2 soll bereits im September erscheinen. (bw)
Rachel Rising, Band 1: Tochter des Todes
Text & Bilder: Terry Moore
128 Seiten in schwarz-weiß, Softcover
Verlag Schreiber & Leser
14,95 Euro
ISBN 978-3-943808-35-3