Sprite, Band 1 (Carlsen)

Mai 8, 2014

Sprite, Band 1

Katastrophenalarm in Tokyo! Und dieses Mal ist es nicht eine aktuell wieder äußerst aktive Urzeit-Echse, sondern Mutter Natur, die die Hauptstadt zerlegt: aus heiterem Himmel fällt zuerst schwarzer Schnee auf die Stadt, der sich unversehens zu einer Sturmflut verdichtet, die die ganze Stadt unter einer pechschwarzen Decke versinken lässt. Die einzigen Überlebenden finden sich im 42. Stock eines Wolkenkratzers, wo sich ein buntes Häuflein zu einer Notgemeinschaft verdammt sieht. Darunter ist das Schulmädchen Yoshiko, das eigentlich nur auf Besuch beim Onkel war, der seit Jahren in seiner Wohnung ein Einsiedlerdasein führt und in die Welt seiner Online-Fantasy-Rollenspiele verloren scheint. Dazu kommt alsbald ein älteres Pärchen, das im großen Erdbeben von Kobe ein Kind verlor, und eine ganze Rasselbande von Jugendlichen, die auf dem Dach kampieren. Bald wird klar, dass es sich um alles andere als eine „normale“ Flut handelt – die Berührung mit der schwarzen Ursuppe verwandelt Menschen in Windeseile in zum Greisenstadium gealterte Mumien. Aus den wirren Aussagen des Onkels und auch der Kinder auf dem Dach erkennt Yoshiko schließlich, dass man es mit nichts anderem als der Zeit an sich zu tun hat, die in regelmäßigen Abständen über die Welt herfällt und die natürliche Ordnung wieder herstellt – gleich den titelgebenden Sprites, jenen Wiederhallen von Gewitterblitzen, die bis in die Stratosphäre reichen. Aber gegen Ende des ersten Bandes steht ein zweifelsohne gewagter Twist, der alles auf den Kopf stellt – sind wirklich alle Menschen außer den wenigen Hochhaus-Besetzern verschwunden, oder ist es vielleicht umgekehrt?

Yugo Ishikawa verbindet hier die charakteristischen Elemente von klassischen 70er-Jahre-Katastrophenfilmen wie Earthquake oder Flammendes Inferno – eine bunt zusammengewürfelte Gruppe kämpft isoliert ums Überleben – mit Zombie-Versatzstücken, bis dann die Zeit-Anomalie-Thematik auch einen Science-Fiction-Touch bringt und die Geschichte in eine durchaus neue Richtung wendet. Yoshikos Onkel spielt dabei die Rolle des exzentrischen Wissenschaftlers, der mehr weiß, als er zugeben möchte und dabei die verschiedenen Ebenen seiner Existenz nicht mehr recht auseinander zu halten vermag. In ausgeprägt biblischer Manier ereilt dabei – nach dem an das Atomtrauma des Landes gemahnenden schwarzen Regen – das jüngste Gerücht in Form einer vernichtenden Flut die Menschheit, was Ishikawa in beklemmendem schwarz/weiß treffend zu inszenieren versteht. Auch für wenig geübte Manga-Leser ein spannendes Endzeit-Drama, bei dem wir gerne auf Band 2 warten. (hb)

Sprite, Band 1: Schwarze Flut
Text & Bilder: Yugo Ishikawa
208 Seiten in schwarz-weiß, Taschenbuch
Carlsen Verlag
7,95 Euro

ISBN: 978-3-551-72752-7

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