Wer hat mein Pferd vergewaltigt? (Skinless Crow) | Comicleser

Wer hat mein Pferd vergewaltigt? (Skinless Crow)

Dezember 17, 2024
Wer hat mein Pferd vergewaltigt?  (Verlag Skinless Crow), von Johnny Ryan

Okay. Wer jetzt von sich glaubt, nur einen halbwegs normalen Humor zu besitzen, braucht hier gar nicht weiterzulesen. Alle anderen seien gewarnt. Was nun kommt, ist speziell: Ausufernd, derbe, völlig amoralisch, inkorrekt. Und blutig. Denn die junge Nancy hat ein Pferd namens Jeremiah, dem übel mitgespielt wird. Von ihrem Zimmer aus beobachtet das Mädchen des Nachts, wie ein Unbekannter den Gaul schändet. Doch wer? Etwa ihr Großvater – ein Vietnam Veteran, jetzt Fitness-Fanatiker? Oder Hakenhand-Harry, der kurz zuvor noch das Pferd bewunderte? Dr. Dinner, seines Zeichens Zahnarzt und der neue Freund ihrer Mutter? Oder jemand ganz anderes? Auf jeden Fall ist Nancy Feuer und Flamme, den Unhold zu finden und zur Strecke zu bringen…

Das arme Pferd? Die arme Nancy? Das Pferd ja, das aber nur eine Nebenrolle spielt und in einer makaber komischen Sequenz – das sei vorab noch verraten – bald das Zeitliche segnet. Aber Nancy? Nein. Zu Beginn mag man das mit dem „armen unschuldigen Kind“ noch glauben, aber das vergeht schnell. Nancy zeigt weder Gewissen noch Moral, bald pflastern Leichen ihren Weg (Ups, doch noch was gespoilert…). Aber auch die anderen Hauptfiguren bekommen ihr Fett weg und/oder haben einen massiven Schaden: Die Mutter landet bald in der Klapse, Grandpa – stets mit freiem Oberkörper unterwegs – verbirgt etwas und auch der Zahnarzt scheint eine fiese Ader zu haben. Ganz zu schweigen von Hakenhand-Harry, dem Nancy auf der Suche nach dem Täter zuerst einen Besuch abstattet.

Autor und Zeichner dieses schrägen Trips ist Johnny Ryan, der im Inhalt und in seinen Bildern ganz der Underground-Tradition verhaftet ist. Er pflegt einen simplen, vermeintlich harmlosen wie trügerischen Zeichenstil, der nur knapp über Strichmännchen/Funny-Niveau hinausgeht. Und der deshalb die extremen Gewaltexzesse und Blutbäder ohne mit der Wimper zu zucken noch anschaulicher erscheinen lässt. Auch was die Dialoge betrifft, die nicht minder explizit sind. Im Prinzip baut Ryan hier eine Krimihandlung auf, von der er immer wieder abschweift. Er lässt seine Nancy stetig ins Verderben rennen, die sich auch bereitwillig auf jede Grausamkeit einlässt, um ihr Ziel – den Täter zu finden – zu erreichen. Dabei ist Nancy bald keine Antiheldin mehr, sondern das Grauen in kindlicher Person.

Für manche, vielleicht jene auch mit sanftem Gemüt, mag dieser pechschwarze, schon schmerzende, tabulose Humor samt Handlung über das Ziel hinausschießen und die Grenze zur Geschmacklosigkeit locker und konsequent überschreiten (dabei könnte man bei dem Titel und einem kurzen Blick ins Buch durchaus erahnen, was einen erwartet). Dafür sollte man Verständnis haben. Man sollte aber auch Verständnis haben, wenn man sich als Erwachsener über das Teil köstlich amüsieren kann. So oder so bildet der Band den Auftakt der „Märchen des Grauens“ von Johnny Ryan. Demnach sollen weitere Titel (in den USA sind bereits drei erschienen) im nächsten Jahr folgen. (bw)

Wer hat mein Pferd vergewaltigt?
Märchen des Grauens, Band 1

Text & Bilder: Johnny Ryan
168 Seiten in Schwarz-Weiß, Softcover
Skinless Crow
29,90 Euro

ISBN: 978-3-03963-045-5

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