Oder so: Der alte Mann und das Meer. Und der Junge. Und Knochen.
Zweiter und leider letzter Teil von Benjamin Flaos Geschichte um den elfjährigen Naim, der in Kenias Küstenperle Lamu in ein seltsames Abenteuer verwickelt wird.
Der abschließende Band hat nun die Aufgabe, die verschiedenen Handlungsstränge miteinander zu verbinden. Wie, das wollen wir natürlich nicht im Einzelnen verraten. Hauptperson bleibt aber der elfjährige Naim. Der sitzt auf einem Boot zusammen mit dem vermeintlich verrückten Einsiedler fest. Ein Boot, das obendrein führerlos im Meer einem ungewissen Ziel entgegen segelt. Der Alte hat die Gebeine von Liongo Fumo ausgegraben (siehe die Legende in Band 1), denn deren letzte Ruhestätte ist bedroht durch den geplanten Bau eines Hotelkomplexes für Touristen. Fast das ganze Album verbringt Naim auf dem Boot und hat somit keinen Einfluss auf die Handlung, die sich in Lamu und Umgebung teils dramatisch entwickelt: Jahid kann seine Drogen nicht liefern, denn die sind weg, dank Naim. Der Franzose Jean Philippe vermisst die Drogen auch schmerzhaft. Denn er ist auf Entzug. Und drauf und dran, es sich mit Suzy gründlich zu verscherzen. Dann ist da noch der alte Nacuda, der von den Jungen mit Qat, einer leichten Alltagsdroge, versorgt wird. Und natürlich Kapitän Günter, der von Milizen entführt wurde und sich als knallharter Hund erweist. Dessen mysteriöse heiße Ware, die gleich zu Beginn von Band 1 in höchster Eile über Bord geworfen wurde, wird ebenfalls noch eine Rolle spielen. Und der Leser wird über die wahren Hintergründe des Hotelneubaus aufgeklärt. Denn Touristen anlocken (Lamu und sein Archipel sind Weltkulturerbe) ist nur ein Sekundärziel. In Wahrheit geht es um sehr viel Geld. Stichwort: Öl.
Von alledem ahnt und weiß Naim nichts. Er macht inzwischen auf hoher See auf der führerlosen Nußschale neben dem verrückten Alten die ein oder andere mystische Erfahrung. Auch während des mächtigen Sturms, der so grandios in Szene gesetzt ist. Doch am Ende wird für Naim und seine Freunde fast alles gut: Der Epilog, der zwei Jahre später spielt, weiß den Leser mit einem wunderbaren Clou zu überraschen. Und auch der Titel des Zweiteilers bekommt noch einen Sinn.
Wie schon im ersten Band glänzt Flao auch hier mit unkonventionellen Zeichnungen, die oft einen „Mut zur Lücke“ zeigen. Es bleibt viel weiß in den Panels, der Zeichenstil ist reduziert auf das Wichtigste: die handelnden Personen. Und die sind markant inszeniert. Da stimmt jeder (krumme) Strich. Doch auch die Natur kommt nicht zu kurz. Die großen Panels mit dem Sturm und die mystisch abstrakte Nahtodschilderung (ein Bild pro Seite) beindrucken mit ihrer Intensität. Und ja, Lamu ist ein bedrohtes Juwel. Industrie macht sich breit, der Hafen soll ausgebaut werden. Die Natur und die Existenzen der Menschen sind dadurch bedroht. Flao greift ein stets aktuelles Thema auf, das den Hintergrund für eine fast märchenhafte Story bildet, die clever konstruiert ist und bei der bis zum donnernden Schlußakkord die Fäden zusammenlaufen. (bw)
Kililana Song, Zweiter Teil: Liongos Lied
Text & Bilder: Benjamin Flao
136 Seiten in Farbe, Hardcover
24,80 Euro
ISBN 978-3-943808-23-0