Blau ist eine warme Farbe (Splitter)

Dezember 9, 2013

Blau ist eine warme Farbe

Clementine ist 1994 gerade 15 geworden, als sie auf der Straße eine flüchtige Begegnung hat, die ihr Leben verändern sollte. Eine junge Frau mit blauen Haaren huscht an ihr vorbei. Ganz schnell und flüchtig und trotzdem brennt sich die Begegnung in ihr Gedächtnis ein. Große Gefühle in einem Augenblick. Ein Feuer ist in ihr entfacht, das sie sich (noch) nicht erklären kann. Viel später, als sie mit einem Freund unterwegs ist, begegnen sich Clem und die Unbekannte erneut. Die heißt Emma und ist mit der eifersüchtigen Sabine zusammen. Nach dieser – ersten richtigen Begegnung – kann Clem an nichts mehr anderes denken als an Emma. Vom ersten flüchtigen Moment an hat sie sich unsterblich in sie verliebt. Aber geht es Emma ebenso? Wie geht Clem mit ihrer neu entdeckten Homosexualität um? Wie wird sie damit fertig, dass ihre Freundinnen sie meiden? Es benötigt viele Treffen, viele Gespräche, viele Hochs und Tiefs und eine folgenschwere Begegnung mit Clems Eltern, bis sich beide letztendlich und endgültig finden. Ein Reifungsprozeß, den v.a. Clementine durcherleben muss.

Nüchtern betrachtet bleibt eine bittersüße, von starken Gefühlen geprägte Liebesgeschichte, die tragisch endet (Das ist kein Geheimnis, das wird schon auf der ersten Seite erwähnt). Als Clem und Emma endlich ein Paar werden, wird der Band wieder bunt, nachdem zuvor allein das Blau von Emmas Haaren für einen Farbtupfer in den schwarz-, bzw. grau-weiß gehaltenen Zeichnungen sorgte – eine originelle Farbdramaturgie. Dann vergehen die Jahre schnell. Und das Leben. Wir sind wieder in 2008, in der Rahmenhandlung, als Emma Clems Tagebücher liest. Der Band kommt dann bald zu einem Ende, etliche Jahre sind in nur wenigen Seiten zusammengefaßt. Fast hätte man sich einen zweiten Teil gewünscht, eine Fortsetzung. Wie haben Clementine und Emma ihr Leben und ihre Beziehung gemeistert? Das wird nur angedeutet und kurz abgehandelt.  Die Zeichnungen sind – wie bereits erwähnt – von der titelgebenden Farbe geprägt. Zweckmäßig solide, Graphic Novel-typisch. Gesichter werden ausdrucksstark und markant dargestellt, die Gefühlswelt, v.a. von Clem spiegelt sich stets in ihrer Mimik wider. Der Höhepunkt des Bandes, das eigentliche, unfreiwillige Coming-Out Clems, kommt dann auch dramaturgisch geschickt ohne jegliche Worte aus. Auch sonst sprechen viele Bilder und Episoden oft für sich oder werden höchstens von Clems Tagebucheinträgen begleitet. Julie Maroh geht da bereits sehr stilsicher mit ihrem Comic-Erstling um.

Die Verfilmung, die demnächst auch in Deutschland (Kinostart: 19. Dezember) anläuft, und in der aus welchen Gründen auch immer Clementine Adèle heißt, gewann in diesem Jahr in Cannes die Goldene Palme. Premiere für eine Comic-Adaption. Daneben löste der Film aufgrund der expliziten lesbischen Sexszenen (die auch im Comic enthalten sind) eine Kontroverse aus, in die sich auch Julie Maroh einschaltete. Die Diskussion wird in einem Editorial am Ende des Bandes thematisiert. Wer sich hier eine eigene Meinung bilden will: bitte den Band lesen und anschließend ab ins Kino (175 Minuten!). Ob sich der Film lohnt, wird sich zeigen. Beim Comic heißt es: Daumen hoch. (bw)

KinoplakatBlau ist eine warme Farbe
Text & Bilder: Julie Maroh
160 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
19,80 Euro

ISBN: 978-3-86869-695-0

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