Venedig in einer anderen Zeit oder einer anderen Welt. Der sterbende Fürst Asanti überreicht seiner unehelichen Tochter Saria drei Schlüssel, die den Zugang zur Engelspforte, zur höchsten Macht, ermöglichen sollen. Aber auch der Doge, der Bruder des Fürsten und der grausame Pestengel Galadriel sind hinter den Schlüsseln her. Doch Saria kann mit Hilfe von Orlando, einem Getreuen ihres Vaters, knapp entkommen.
Sechs Jahre später. Saria ist eine hübsche junge Frau, die von Orlando behütet wird. Das Volk kennt sie als Luna, als Wohltäterin, die Gefangene freikauft. Damit ist sie dem Klerus, der gerne mörderische Gottesurteile verhängt, ein Dorn im Auge. Und gerät so in den Fokus des Dogen (einer Mensch-Maschine?), der noch immer die Schlüssel sucht, der Saria aber nicht erkennt. Und der andere Sorgen hat. Denn die Dyle der Galeerensträflinge (allesamt arabisch gekleidet) ist im Anmarsch und will ihren neuen Märtyrer präsentieren, was in einem Machtkampf mit dem Dogen gipfelt. Und auch Galadriel (halb Mann, halb Frau, halb Engel) sucht die Schlüssel noch immer. Er vermutet sie bei den Inquisitoren zur rechten Hand, eine Lüge, die ihm Fürst Ashanti auf dem Sterbebett aufgetischt hat. Derweil wird Saria leichtsinnig. Sie gerät in einen Hinterhalt und kann nur knapp von Orlando gerettet werden. Doch der wird von Herzog Amilcar, dem Haus- und Hofpolizisten des Dogen (der samt Uniform wie Mussolini ausschaut) gefaßt. Der Doge wittert seine Chance auf die Schlüssel. Und damit auf die höchste Macht.
Es ist einmal mehr eine Endzeitwelt, die als Gerüst für die Story herhalten muss. Dieses Mal trifft es Venedig, in dem sich Vielschreiber Dufaux ja durch seine Reihe ‚Giacomo C. (dt. bei Comicplus) bestens auskennt. Irgendwann in ferner Vergangenheit (oder Zukunft, oder Parallelwelt) muss es eine Katastrophe oder einen Krieg gegeben haben. Die Stadt liegt seit scheinbar ewigen Zeiten teilweise noch immer in Trümmern, ist schwer beschädigt oder verkommt. Und überall an Gebäuden und in Räumen finden sich riesige Kabel- oder röhrenartige Gebilde und Leitungen. Man fühlt sich gleich an Orte aus Serpieris ‚Druuna‘ erinnert. Oder an die Welt aus ‚Im Schatten des Neumonds‘. Eine Mischung aus Steampunk, Science Fiction, Horror und Fantasy-Elementen. Doch Dufaux macht es einem nicht leicht. Ständig werden neue Personen oder Gruppen eingeführt, fremde Begriffe fallen, die Herkunft und die Motive der Personen bleiben noch im Dunkeln. Da muss Band 2 einiges an Klärung bringen und man kann gespannt sein, wie Dufaux die noch losen Enden ordnet.
Aber Serpieri beherrscht sein Handwerk einmal mehr. Seine Zeichnungen, durch unendlich viele einzelne Schraffuren und Striche geprägt, sind ein Augenschmaus. Die Farbgebung ist dezent wie immer. Und irgendwie ist es auch erfreulich, dass nicht einmal mehr das Hinterteil der Hauptakteurin der heimliche Star eines Serpieri-Albums ist, wie in den Druuna Bänden. Dass die Frauenrolle hier seriöser angelegt ist, geht sicher auf das Konto von Dufaux. Leider musste der italienische Zeichner nach diesem Band (wohl krankheitsbedingt) die Reihe abgeben. Ab Band zwei wird Riccardo Federici den Dreiteiler übernehmen, der sich hier auch schon für das Cover verantwortlich zeigt. (bw)
Saria, Band 1: Die drei Schlüssel
Text: Jean Dufaux
Bilder: Paolo Serpieri
64 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
14,80 Euro
ISBN: 978-3-86869-610-3