Überreich an Stoffen ist die griechische Mythologie- und liefert für ziemlich alles die Vorlage, was die Neuzeit so an Literatur und Filmen ersonnen hat. Eine der buntesten Geschichten dürfte dabei die Reise von Jason mit seinen Argonauten sein (im übrigen ist weniger bekannt, dass es sich hier um einen durchgängiges Missverständnis handelt, eigentlich waren es natürlich 50 Arrogante, wie kundige Besucher der Videotheken der 80er Jahre erläuterten – Insider!). Der musste nämlich der Medea, ihres Zeichens Königin von Kolchis, das Goldene Vlies abjagen, um damit zu Hause ordentlich aufzuräumen. Denn diese wohl teuerste Strickjacke der Welt macht ihren Träger unbesiegbar, weshalb Medea es nur ungern hergab und allerlei Kroppzeug zu seinem Schutz aufbot.
Autor und Zeichner Didier Crisse (u.a. bekannt durch Luuna, Canari und Ishanti, alles auch bei Splitter) greift nach eigenen Worten auf die arkadische Variante dieses Mythos‘ zurück, nachdem Jasons arrogante Bande noch durch eine Frau bereichert wurde: die schöne Atalante, als unerwünschte Tochter von ihrem Vater Iasos verstoßen, aber durch die Gnade der Göttinnen Artemis, Aphrodite, Hera und Hekate gerettet, aufgezogen von einer Bärin, aufgewachsen im Sagenwald unter Tieren, Nymphen, Satyren und Dryaden – und gesegnet mit übermenschlicher Schnelligkeit, einem widerspenstigen Wesen sowie einem magischen Dolch. Blöd nur, dass die eifersüchtige Hera verfügt, dass Atalante, sobald sie sich verliebt, der Zorn der Götter treffen soll. Als sie sich Jason und seiner Mission nach Kolchis anschließen will, stellt der zur Bedingung, dass sie seinen alten Lehrmeister, den Zentauren Chiron befreit, der von wildgewordenen Artgenossen gefangen gesetzt wurde. In einem wilden Wettrennen mit dem schnellsten der Pferdemänner setzt sich Atalante – dank tatkräftiger Mithilfe der Göttinnen, die ihr immer noch wohlgesonnen sind – auch gegen Betrug und Tücke durch und darf sich somit dem schon im Losfahren begriffenen Jason anschließen. Ende Band 1, nächste Station Kolchis.
Crisse beschreibt im schön gestalteten Bonus-Teil dieser Neuauflage, dass ihn die Figur der Atalante – der „antiken Joggerin“ – schon seit zehn Jahren fasziniert. Der graphische Stil ist nach seinen Worten bewusst an Zeichentrickfilme angelehnt, sucht eine Symbiose zwischen Cartoon und Comic durch eine vereinfachte, stilisierte und auf das wesentliche reduzierte Darstellung. Zu diesem Zweck wurden für diese Neuausgabe der Reihe, die erstmals 2001 bei Carlsen erschien(Band 1-3), die ersten Alben am Computer überarbeitet, die Cover mit Renderings neu gestaltet und auch einige Details verändert (im Klartext: ordentlich tits and ass, aber eben als wenn das auch bei Disney erlaubt wäre). Spannende, spaßige Fantasy-Action, von der als nächstes Band 4 in deutscher Erstveröffentlichung just erschienen ist. (hb)
Atalante – Die Legende, Band 1: Der Pakt
Text & Bilder: Didier Crisse
64 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
14,80 Euro
ISBN: 978-3-86869-534-2
