Urban, Band 1 (Splitter)

September 19, 2013

Urban, Band 1: Die SpielregelnRuntergekommen ist sie, die Erde. Eine rechte Sauerei. Man muss schuften, und eigentlich macht die ganze Chose keinen rechten Spaß mehr. Aber damit das alles schön funktioniert, hat sich der oberste Systemchef gehörig etwas einfallen lassen: jeder brave Erdenbürger darf einmal im Jahr Urlaub machen. Und zwar ganze zwei Wochen lang.

So weit, so bekannt, das hat schließlich schon der gute alte Bismarck auf die Fahnen geschrieben – Rente, Sozialversicherung und vor allem Urlaub, damit die arbeitende Bevölkerung nicht durchdreht, sondern brav die Industrialisierung weiter unterstützt. Luc Brunschwig (Warrens Schwur) zeichnet diese Entwicklung in Urban konsequent und überspitzt fort: im Jahr 2058 ist die Erde noch mehr Sauerei, noch runtergekommener, aber schuften muss der arme Otto Normalverbraucher (auch bekannt als Gert Fröbe) immer noch. Aber das Prinzip Brot und Spiele funktioniert noch immer: jedes Jahr darf jeder Geschundene zwei Wochen nach MyJoy – eine ganze Stadt, 300.000 Hektar groß, auf der jeder Wunsch erfüllt und jede Phantasie ausgelebt wird. Das ganze wird begleitet von permanenter Gehirnwäsche durch einen dubiosen Chef namens Springy Fool, verkleidet in einem Hasenkostüm und in ständiger Begleitung einer drallen Kollegin namens A.l.i.c.e. (ja, ihr könnt den Zaunpfahl wieder einmontieren, wir haben verstanden, das kleine Mädel im Wunderland, ins Negative überzeichnet).

MyJoy ist, nach eigenem Bekunden der mächtigen, „Der letzte Ort in der Galaxie, an dem man Spaß hat“ – aber der ist nicht ohne Regeln. Und die lernt das Landei Zach sehr drastisch kennen, als er MyJoy besucht: nicht zum Urlaub, sondern weil er dort zum Polizisten ausgebildet wird. Denn er bekommt es nicht nur mit Verbrechern zu tun, die man an Ort und Stelle durchaus ruppig mit Elektroschocks behandelt, sondern muss auch lernen, dass die Vergnügungsstadt ein unmenschliches Kastenwesen pflegt: die Hotelangestellte Ishrat, der er auf ungeschickt-naive Weise näher kommt, trägt nicht nur Werbe-Tattoos am ganzen Körper, sondern wird für ihren unbotmäßigen Kontakt mit einem Gast hart bestraft. Nebenbei überträgt Springy Fool die Jagd auf einen Auftragskiller als unterhaltsames Fernsehspektakel, bei dem der frischgebackene Polizeiakademieabsolvent Isham sein Leben lässt, worauf natürlich Wetten abgeschlossen werden dürfen. Als nächster im Dienst dürfte dann Zach an der Reihe sein, den seinerseits Geister der Vergangenheit in Form einer Puppe plagen, die ihn an seine Kindheit erinnert. Und dann ist da noch ein kleiner Junge, der seinem Wachroboter ausbüchst und sich in die Freuden von MyJoy stürzen möchte…

Brunschwig mischt in dieser grellen Aniti-Utopie Motive aus sattsam bekannten Science Fiction-Streifen – die abgehalfterte Welt von Soylent Green trifft auf den utopischen Freizeitpark von Future World, die zum Medienspektakel stilisierte Verbrecherhatz steht in der Tradition von Running Man, und dass das Ganze eine alptraumhafte Version von Alices Wunderland darstellt, hatten wir schon festgestellt . Auch wenn das Grundkonzept damit nicht absolut neu ist (aber was ist das schon?), fesselt die Story durch das Geschick des etwas weltfremden Zach, der immer tiefer in die Verstrickungen dieses Systems hineingezogen wird, von denen Band 1 bestenfalls erste Vorahnungen gibt. Zeichnerisch von Roberto Ricci treffend inszeniert, ergibt sich damit eine schmissige Variante der negativ-SF der 70er, die vor allem Freude macht, wenn auch diese Filme zu schätzen weiß.

Band 2 (von 3) ist in Vorbereitung. (hb)

Urban, Band 1: Die Spielregeln
Text: Luc Brunschwig
Bilder: Roberto Ricci
48 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
13,80 Euro

ISBN: 978-3-86869-652-3

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