Harleen, Band 1 (Panini)

März 11, 2020
Harleen, Band 1 (Panini Comics)

Harleen Quinzel hat gleich mehrere Probleme. Erstens nimmt die aufstrebende junge Psychologin niemand ernst, weil sie auf ältere Herren steht und eine Affäre mit einem ihrer Professoren hat. Außerdem scheint es, als ob ihr Versuch, Fördergelder für ihre Forschungsarbeit aufzutreiben, kläglich scheitert. Dabei würde sie doch so gerne ihre Theorie verfolgen, dass die durchgeknallten Insassen von Arkham Asylum und Blackgate unter einem krankhaften Mangel an Empathie leiden, der behandelbar sein könnte. Aber dann ändert sich das Schicksal radikal: auf den Straßen von Gotham wird Harleen Zeuge eines Kampfes zwischen Batman und dem Joker, der sich in ihr Gedächtnis brennt und als faszinierendes Zerrbild durch ihre Alpträume zieht. Kurz darauf kommt ein gewisser Lucius Fox zu ihr an die Uni, der ihr eröffnet, dass Bruce Wayne Interesse an ihren Theorien zeigt. Somit öffnen sich für Harleen buchstäblich die Tore in eine neue Welt: mehr widerwillig nimmt sie Anstaltsleiter Hugo Strange als Gastpsychologin in Arkham auf, wo in Gesprächen mit den schwersten Fällen wie Killer Croc, Mr. Zsazs, dem Riddler oder dem Mad Hatter versucht wird, der jeweiligen Verwirrung auf den Grund zu gehen. Aber es ist der gerade wieder einmal einsitzende Verbrecherclown, der sie zunehmend fasziniert, was zu einer fatalen Konstellation führt…

Stjepan Sejic, den wir in erster Linie von seiner BDSM-Saga „Sonnenstein“ kennen, nutzt die Chancen, die der Panini-Serienableger Black Label bietet: abseits des regulären Serien-Kanons können sich Künstler hier mit ihren Lieblingsfiguren austoben, wie das etwa auch Enrico Marini mit „Der dunkle Prinz“ schon weidlich tat. Sejic nutzt die Basis-Historie der Harlekin-Dame, die Paul Dini und Bruce Timm schon 1992 für die „Batman: The Animated Series“ ersannen und die sich alsbald in mittlerweile klassischen Graphic Novels wie „Mad Love“ oder auch auf den Seiten der „No Man’s Land“-Storyline der Batman-Serie tummelte, geschickt aus. Von einem reinen Joker-Sidekick entwickelte sich die Dame da über eine an haltloser Realitätsverkennung leidende, ihrem Meister hörige akrobatische Gespielin bis hin zur Antiheldin, die in der Suicide Squad zwischen Chaos und Großtaten changierte. Fein aufgefächert erscheint bei Sejic das Innenleben Harleens, die sich über den anfänglichen Spott ihrer Mitstudenten und Kollegen („Wir nennen sie Harley, weil jeder Typ in der Midlife-Crisis sie schon mal gefahren ist“, so die bittere Erklärung für ihren Spitznamen) erhebt, als in Form von Bruce Waynes Geschäftsführer Lucius Fox die wissenschaftliche Anerkennung naht.

Der Joker bildet für sie Furcht und Faszination zugleich, der übermächtige Schatten, der Bedrohung und sexuelle Attraktion verbindet – Facetten, die Sejic schon auf den Sonnenstein-Seiten trefflich ausbreitete. Dabei greift Sejic tief in den Figuren-Fundus und lässt als Gegenpol zu Harleen auch Dr. Hugo Strange auftreten, den irren Psychiater, der in diversen Storylines (z.B. in der „Batman 66“-Reihe, die die spaßigen Zack-Peng-TV-Serie fortschrieb) schon zum Oberhaupt von Arkham Asylum avancierte. Berauschend aber vor allem sind wie bei Sejic üblich die großformatigen, fast pin up-haften Inszenierungen von Harleens Visionen und Obsessionen, in denen der Joker und Batman als Zerrbilder auftreten und die ganze erotisch-verquere Innenwelt der Dame wirkungsvoll nach außen kehren. Eine mehr als gelungene Reinterpretation der Harley-Origin, die vielleicht sogar über filmische Entgleisungen wie das „Birds Of Prey“-Debakel hinwegtrösten kann. Die Miniserie ist auf drei Alben angelegt, die hochwertig im Großformat erscheinen, dass Sejics Optik trefflich zur Geltung bringt (Band 2 ist gerade erschienen). Für Sammler gibt es ein hübsches Variant zu haben. (hb)

Harleen, Band 1
Text & Zeichnungen: Stjepan Sejic
68 Seiten in Farbe, Hardcover
Panini Comics
14,99 Euro

ISBN: 978-3-74161-741-6

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