Love is Love (Panini)

Januar 16, 2018

Orlando, 12. Juni 2016: mitten in die ausgelassene Stimmung im Club Pulse tritt der Tod in Form eines Attentäters, der in kürzester Zeit 49 Menschen erschießt. Motiv: keinesfalls Terrorismus oder ein Amoklauf, wie man das vermuten könnte, sondern schlicht und einfach Hass. Hass auf die Leute, die im Pulse feiern: der Club ist eines der Zentren der Lesben- und Schwulen-Szene in Florida. Comicautor Marc Andreyko ist schockiert und sendet einen Aufruf an seine Kollegen: irgendein Zeichen will er setzen, gegen Intoleranz, Hass, Waffennarretei und unterschwellige (oder auch unverhohlene) Homophobie. Zahlreiche Kreative folgenden seinem Appell, darunter Comic-Schreiber, Zeichner, Filmemacher und andere, die ihren Beitrag leisten wollen. So entsteht in kurzer Zeit eine Anthologie, die in dutzenden kurzen Vignetten eine ähnliche Botschaft sendet: Verständnis, Toleranz und vor allem Liebe.

Auf jeweils 1-2 Seiten breiten sich diese Themen aus, die entweder einen direkten sachlichen Bezug haben (am Fernsehschirm verfolgen ehemalige Gäste des Pulse schockiert die Vorgänge, die entweder zu Solidaritätserklärungen führen oder homophobe Tendenzen à la „die haben‘s nicht besser verdient“ offenbaren, man nimmt am Gay Pride Marsch teil) oder symbolisch-allgemeingültig die Gleichberechtigung aller Formen der Zuneigung unterstreichen. Hierbei entstehen sehr viele gelungene, kleine Szenen oder auch Tableaus, wie etwa eine wunderbare einzelne Seite aus der Feder von Guillem March, in dem sich eine unbenannte Schöne (ausgeführt im typischen March-Gotham Sirens-Stil) direkt an den Leser wendet: „Respekt steht für Dich an erster Stelle? Respekt vor Dir, meine ich? Bist Du von Hass erfüllt? Denn, weißt Du, im richtigen Leben nennen sich die Bösen selbst nicht „The injustice society“ oder „The league of villains“. Sie glauben, dass sie die Guten sind und alles so sein sollte, wie sie es haben wollen. Sei Du nicht so einer! Hasse nicht! Du wirst glücklicher leben und länger. Alle werden das.“

Schockierend wirken die Aufzeichnungen der Notrufe, die bei der Polizei einigen – offenbar setzten einige im Sterben Liegende noch letzte Nachrichten an ihr Lieben ab. Teilweise kommen die Beiträge auch sehr textlastig, fast wie ein Essay, daher, oder transportieren ihre Botschaft auf entgegengesetzte Art rein visuell, wie etwa in Panels von David Mack, Vicente Cifuentes oder Grant Morrison, der das ausgelassene Leben im Club als Reigen der Todgeweihten erscheinen lässt. Sehr beeindruckend auch die US-Landkarte, die mit Feuerwaffen bedeckt ist: solange sich jeder im Supermarkt um die Ecke problemlos mit Gewehren eindecken kann, werden sich die Dinge wiederholen. Teilweise lustig, teilweise etwas problematisch wirken dagegen die Einsätze bekannter Comic-Figuren: die „Superfreunde“ werden noch wohlig zum Vorbild für Freundschaft; da schwebt Bizarro durch die Lüfte, umgeben von einem permanenten „Hate“ – nachdem der Kollege ja alles umkehrt, ist natürlich „Love“ gemeint. Auch der Spirit gibt sich die Ehre, aber ob es wirklich statthaft ist, dass Wonder Woman, Supergirl, das Green Lantern Corps und Catwoman ihre Sicht der Dinge schildern, so nobel die auch sein mag, daran machen wir ein kleines Fragezeichen.

Gerade Batman muss gleich mehrfach herhalten, als Ermittler, als Andy Warhol-Farb-Portrait-Abfolge und einmal auch als Beobachter, der mit Nightwing darüber philosophiert, dass die hier Getöteten ein Doppelleben führen mussten, genau wie das dynamische Duo. Das mag man als kluge Replik auf Frederik Werthams homophobe Attacken der 60er werten, als sein Schmähwerk „Seduction of the Innocent“ die Beziehung Bruce Wayne und Dick Grayson als angeblich unamerikanisches schwules Idyll diffamierte. Man kann diese Parallelen aber auch ein wenig deplatziert sehen, was dann spätestens bei der kurzen Deathstroke-Episode eintritt, in der der Schlagetot von der Berichterstattung im Fernsehen entsetzt sein Waffenarsenal in den Müll steckt und sinniert: „Ich mache nur noch Karate!“ Ob diese Flapsigkeit der Gravitas des Themas gerecht wird, dass muss jeder selbst entscheiden. Tatsache ist, dass die Anthologie auch handfest Gutes tut und 3 Euro von jedem verkauften Exemplar an LGBT-Verbände in den USA gehen, wo auf diese Art schon mehr als 150.000 Dollar zusammengekommen sind, die dem OneOrlando-Fund gespendet wurden, der Überlebenden und Familien von Opfern des Anschlags zu Gute kommt. (hb)

Love is Love
Text & Bilder: Brandon Peterson, Damon Lindelof, Leinil Yu, Matt Wagner,
Mike Carey, Olivier Coipel, Patton Oswalt, Paul Jenkins, Phil Jimenez,
David Mack u.v.a.
148 Seiten in Farbe, Softcover
Panini Comics
16,99 Euro

ISBN: 978-3-7416-0525-3

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