Marvel-Tag: Die Spinne, Heft 51 (Williams)

Januar 27, 2017

Auch aus dem seligen Williams-Verlag stammt unser zweites Beispiel für diese gloriose Zeit als Comicleser: als Nr. 51 der damaligen „Die Spinne“-Serie brachte das Mächtige Marvel Team (kurz genannt MMT) im Februar 1976 den Stan Lee/John Romita-Klassiker „Spider-Man No More!“ heraus, der uns hier unter dem Titel „Spinne Ade!“ entgegentritt. In diesem One-Shot zeigt sich Peter Parker extrem gefrustet: während man die Fantastischen Vier, Captain America oder Iron Man als Helden feiert, hat es der keifende J. Jonah Jameson endgültig geschafft, den Netzkopf als Gefahr für die Öffentlichkeit in ein finsteres Licht zu rücken.

Undank scheint für Peter der Welten Lohn, aber es kommt noch dicker: Tante May erleidet einen Zusammenbruch und verlangt nach ihrem Neffen, der wegen seiner Netzschwingerei natürlich wieder einmal nicht zu Hause ist; die Noten an der Uni verschlechtern sich rapide; und auch die Avancen der beiden Mäuse Gwen Stacy und Mary-Jane Watson kann oder will Peter nicht sehen. Dergestalt bedrängt, sieht Peter nur noch eine Möglichkeit, ein halbwegs normales Leben zu führen: er schmeißt sein Kostüm in eine Mülltonne und schwört dem Spinnendasein ab. Und siehe da, während JJJ seinen vermeintlichen Sieg genüsslich ausschlachtet, scheint sich das Blatt tatsächlich zu Peters Gunsten zu wenden: Tante May wird wieder gesund, er hat Zeit zum studieren, und für ein Date mit Gwen sieht es auch gar nicht so schlecht aus. Aber gleichzeitig versinkt New York im Chaos: der Kingpin wittert seine Chance, die Gangs der Stadt zu übernehmen – und irgendwann holt die Vergangenheit den guten Peter unweigerlich ein…

Die Story „Spider-Man No More!“ erblickte im Original erstmals 1967 in Amazing Spider-Man Nr. 50 das Licht der Welt (der Williams-Verlag startete seine Serien immer mit der Origin-Story, weshalb in der Zählung des deutschen Spinne-Runs jeweils eine Nummer hinzukam) und genießt durchaus kultigen Status, nicht zuletzt aufgrund der ikonischen ganzseitigen Zeichnung, in der das Kostüm teilweise aus der Mülltonne ragt und Peter sich traurig von dieser Phase seines Lebens abwendet (die Grundidee diente 2004 als ein Storyelement des zweiten Spider-Man-Kinofilms mit Tobey Maguire, wo diese Szenerie für eine Traumsequenz detailgetreu nachgestellt wird). Dabei sind alle klassischen Zutaten eines frühen Spidey-Abenteuers enthalten: unser Netzkopf kalauert sich durch seine Prügeleien, JJJ keift und hetzt, Tante May siecht dahin, der Kingpin dräut in kolossalen Formen und weißem Jackett, und die Damenwelt ist an Peter interessiert, der zu doof ist um das zu kapieren, weil er so stark mit seinen Gewissensnöten beschäftigt ist (wobei auch auffällt, dass sowohl Gwen als auch MJ nicht die hellsten Kerzen auf dem Weihnachtsbaum sind, das hat uns ja auch schon Deadpool erklärt, als er in eine klassische Spidey-Geschichte geriet.

Das berühmte Panel

Auch die Origin-Story kommt zum Tragen, als Peter sich qualvoll an sein Versagen erinnert fühlt, das seinen Onkel Ben das Leben kostete und ihn letztendlich zum Helden machte. Nicht direkt ausgesprochen, steht mithin das eherne Spidey-Motto im Raum: mit großer Kraft kommt große Verantwortung. Somit ein echter Spidey-Leckerbissen, der in seiner Inkarnation im Rahmen der Marvel-Superbände aus dem Hause Williams nochmals eine Ecke ruppiger behandelt wurde als in den Einzelheften. Der Hamburger Williams-Verlag brachte, nachdem der Bildschriften-Verlag seine Superhelden-Reihen unter der Flagge Hit-Comics eingestellt hatte, ab Januar 1974 diverse Marvel-Titel unters deutsche Leservolk, das in der Spitze bis zu 10 Serien sowie Taschenbücher (1976: “Die tödlichen Hände des Kung Fu”) genießen durfte. Auf anfangs 36, bald nur noch 32 Seiten konnte man da für den damals fürstlichen Preis von DM 1,40 im Tante-Emma-Laden (bei uns hieß das allerdings „Kaufmann“, auch wenn die Läden in der Tat unweigerlich von Frauen betrieben wurden, die Schürzen trugen und auf klingende Namen wie „Greeet“ hörten) die Hefte erstehen, in denen jeweils eine Hauptgeschichte sowie eine Zweitstory (z.B. Der Dämon, Thor oder Aquarius) enthalten waren (die Zweitstory kam jeweils nur auf 8 Seiten, so dass man kaum eine Chance hatte, alle Episoden der zerstückelten Original-Hefte zu erwischen).

Nach einer inflationären Überspannung des Serienbogens ging es 1976 schon wieder den Bach hinunter, viele Titel wurden eingestellt, bis 1979 mit der Nummer 137 der „Spinne“ endgültig Schluss war und die Condor-Ära vor der Tür stand. Als einer der zwischenzeitlichen Rettungsversuche dürften die Sammelbände gelten, die unter dem Titel „Marvel-Superband Superhelden“ von 1975 bis 1980 monatlich erschienen und es auf insgesamt 47 Ausgaben brachten. Dort wurden relativ wahllos jeweils vier Hefte mit Cover zusammengeklebt, leicht geschnitten (vor allem am unteren Seitenrand fehlen jeweils einige Millimeter) und als Reste-Rampe zum Preis von DM 2,50 feilgeboten, was natürlich pro Heft günstiger war als die Einzelausgaben, wodurch zumindest ich stets auf die Superbände auswich. Aufgrund der Phasenauslieferung kam es dabei zum Phänomen, dass regional andere Hefte unter dem gleichen Sammelband-Cover erschienen und sogar bis zu fünf Variationen der gleichen Sammelband-Nummer im Umlauf sind.

Der Superband mit „Die Spinne 51″…

In meiner Ausgabe der Sammelband-Nr. 15 finden sich neben der Spidey-Geschichte noch die Fantastischen Vier 46 ( „Die Saga des Silberstürmers“, der Abschluss des Galactus-Epos, was auf „Dieser Mensch… dieses Monster“ hinführt), Der Eiserne Nr. 3 („Die Festung des Doktor Ungemach“) sowie Doktor Strange, der Magier Nr. 3 („Im Schatten des Todes“). Neben der doch etwas eigenwilligen Zusammenstellung und Produktion (zur Pergament-Altpapier-Qualität s.o., zudem sind die Hefte so verklebt, dass man Mühe hat, auch Sprechblasen auf den inneren Rändern ordentlich zu lesen) amüsiert vor allem die doch abenteuerliche Übersetzung im wackligen Lettering: als etwa Mary-Jane zu einer Schauspiel-Probe abzischt, wünscht Peter ihr Glück: „Schlag sie tot, Gnädige!“ Das im Original hier wohl zu findende „knock ‘em dead“ entspricht dann doch eher einem „Hau sie um!“, „Mach sie platt!“, auch nachdem Peter oder MJ ja nicht gerade für Gewaltausbrüche bekannt sind. Trotz all dieser Unzulänglichkeiten gehören die Williams-Ausgaben zur Historie der Marvel-Comics in Deutschland, versprühen für alle, die sie damals erstehen durften (!), einen wohlig-nostalgischen Charme und bieten eine immer wieder willkommene Reise in die Comicleser-Jugend. (hb)

Die Spinne, Heft 51: „Spinne Ade!”
Text: Stan Lee, Roy Thomas
Bilder: John Romita sr., John Buscema, Frank Giacoia
32 Seiten in Farbe, Heftformat
Williams Verlag
1,40 DM

Dank an comicguide.de für das Cover von „Die Spinne, Heft 51“!

 

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