Black Hammer: Barbalien (Splitter)

April 5, 2022

Spiral City, 1986: der Marsianer Mark Markz wandelt unter den Menschen und tut dank gestaltwandlerischer Fähigkeiten unerkannt Dienst als Polizist, wenn er nicht gerade als Barbalien gemeinsam mit den anderen Helden die Welt rettet. Die echten Probleme scheinen ohnehin direkt vor der Haustür zu liegen: die noch relativ neue, grassierende Krankheit namens Aids führt zu erheblicher Unruhe in der Stadt. Handgreifliche Aktivisten rund um den leidenschaftlichen Miguel Cruz attackieren das Rathaus und werfen der Stadt und Polizei vor, ganz bewusst die Augen vor der Krankheit zu verschließen, die auch in kirchlichen Kreisen noch als gerechte Strafe für sexuelle Verirrung propagiert wird. Barbalien rettet Cruz zunächst aus einer lebensgefährlichen Situation und folgt dem faszinierenden jungen Herrn dann in Gestalt eines attraktiven Jünglings, den Cruz kurzerhand „Luke“ tauft, frei nach dem Helden Skywalker.

Gemeinsam besucht man das Untergrund-Kabarett „Café Knight Klüb“, wo sich die queere Community von Spiral City heimlich trifft – und prompt von der Polizei ausgehoben wird. Rädelsführer ist der rabiate Cop O’Toole, der seinen ganz eigenen Kreuzzug gegen die Szene führt und alle Bars und Nachtclubs der Stadt attackiert. Während sich zwischen „Luke“ und Miguel immer mehr zarte Bande entwickeln, holt Barbalien seine eigentliche Herkunft ein: der Imperator des Mars hetzt ihm den Kopfgeldjäger Boa Boaz auf den Hals, der O’Toole beseitigt, in dessen Rolle schlüpft und alsbald als „Spiral Slayer“ auf die mörderische Suche nach Barbalien geht. Der lernt indessen die Ärztin Dr. Day kennen, die ihn sofort durchschaut und offenbart, dass auch sie selbst im Widerstreit mit ihrer Identität lebt: als Tochter von Dr. Day und Captain Night verfügt sie über Superkräfte, hilft aber lieber ganz direkt als Ärztin, die diejenigen behandelt, die niemand sehen will. Bald kommt es dann zur offenen Konfrontation zwischen Barbalien und seinem Jäger, und der rote Held des Mars muss sich seiner Vergangenheit und seinem Ich stellen…

Autor Tate Brombal (auch schon beteiligt an „Black Hammer: Die Straßen von Spiral City“) packt hier das vielleicht politischste Thema an, das in Jeff Lemires immer wieder berauschender Black Hammer-Reihe bislang präsentiert wurde. Nur leicht als Alternative History von Spiral City kaschiert, zeigt Brombal die Realität der 80er Jahre, in denen die noch weitgehend unbekannte Krankheit Aids als Problem von so genannten Randgruppen in die Schmuddelecke verwiesen wurde – die Forschung steckt noch in den Kinderschuhen, die Regierenden kümmern sich nicht um das Problem, Kirche und Moralprediger sehen sich in ihrer Bigotterie bestätigt. Dass der Fürst vom Mars Barbalien, natürlich eine wunderbare Hommage an den marsianischen Manhunter aus der ganz klassischen Inkarnation der Gerechtigkeitsliga, dem eigenen Geschlecht zugeneigt ist, schwang auch bei Jeff Lemires Episoden von Anfang an mit.

Bei Brombal rückt dieses Element nun ins Zentrum des Geschehens um eine Identitätskrise, die sexuelle Orientierung, aber auch Herkunft (auch auf dem Mars wird Markz für sein Leben verachtet) und vor allem die Frage aufwirft, mit der sich schon Hal Jordan und Oliver Green auf ihrer Reise als „Hard Travelling Heroes“ konfrontiert sahen: Superhelden retten die Welt vor Außerirdischen und sonstigem Kroppzeug, aber wer rettet die Benachteiligten, Bedrohten und Übergangenen um die Ecke? Diese pointierte, direkte und beklemmende Storyline um Identität und Zivilcourage kleidet Gabriel Hernandez Walta in ein mehr als stilechtes Gewand: akribisch recherchiert ist der 80er-Jahre-Look von Straßenansichten, Fahrzeugen und Kleidung, ergänzt durch zwar stilisierte, aber doch realitätsnahe Zeichnungen von Personen, wozu Walta sogar eine kleine Büste von Barbalien anfertigte. Man kann es nur bei jedem Band wiederholen: ein faszinierendes, facettenreiches Universum haben wir hier vor uns, ein Kaleidoskop, das mit jeder Episode neue, komplexe Facetten erhält. (hb)

Black Hammer: Barbalien – Roter Planet
Text: Jeff Lemire, Tate Brombal
Bilder: Gabriel Hernández Walta
136 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
22 Euro

ISBN: 978-3-96219-437-6

Tags: , , , , , , , , ,

Comments are closed.