Noir Burlesque, Band 1 (Carlsen)

März 10, 2022
Noir Burlesque, Band 1 (Carlsen Verlag)

Nach sieben Jahren ist er wieder aufgetaucht: Terry Cole, alias Slick. Ein kleiner Ganove, der bei Gangsterboss und Nachtclubbesitzer Rex McKinty die offenbar nicht gerade geringen Schulden seines Bruders begleichen will. Durch krumme Dinger, wie Überfälle, versteht sich. Der Deal der beiden scheint auch zu laufen, wäre da nicht Debbie Hollow, die nun als Caprice der Star in McKintys Nachtclub ist und dort mit ihrer Burlesque Show Abend für Abend das anwesende männliche Publikum begeistert. Denn Debbie ist die Ex von Slick, der sie damals verließ, um in Europa in den Krieg zu ziehen. Und nun ist sie mit McKinty verlobt, der sie als Eigentum betrachtet. Was Slick egal ist. Er „kündigt“ seinen „Job“ bei Rex – was dieser natürlich nicht akzeptiert – und bald darauf kommen er und Debbie sich wieder nahe. Ganz nahe. Zum Missfallen McKintys, der nun schon zwei Gründe hat, den inzwischen untergetauchten Slick aufzuspüren und zu schnappen…

Der Titel des Zweiteilers ist Programm. Enrico Marini („Die Adler Roms“) taucht hier mit sichtlichem Vergnügen in das Noir-Genre ein (in unserem Interview von 2015 erwähnt er bereits sein Interesse daran) und präsentiert genüsslich die dazugehörigen, typischen Versatzstücke und Stereotypen. So geht Slick, sein Protagonist, keinem Streit aus dem Weg. Ein Sturkopf, der immer wieder Nehmerqualitäten zeigt und auch zeigen muss und der auch in üblen Situationen seinen Sarkasmus in Form von trockenen Sprüchen bewahrt. Deren Ziel ist oft Punchy, Cousin und Handlanger von McKinty, was schon fast als Running Gag durchgeht. Debbie/Caprice sorgt zwar für eine üppige erotische Komponente, könnte als Femme Fatale aber noch etwas Kontur vertragen. Einerseits kann sie Slick nicht widerstehen, träumt andererseits als Material Girl von einer Hollywood-Karriere, ermöglicht durch McKinty. Der verfügt über sie, will sie heiraten und ist dabei getrieben von Eifersucht und Rachegelüsten.

Auch an den Bildern zeigt sich, dass Marini, der zuletzt seine Skorpion Reihe an Luigi Critone („Aldobrando“) abgab und mit „Der Dunkle Prinz“ einen Batman Zweiteiler gestaltete, voll bei der Sache war: in ausladenden, großzügig angelegten Panels, teils ganz- oder sogar doppelseitigen Panoramen, zeigt er atmosphärisch dicht das New York des Jahres 1950 (lässt sich genau datieren, weil „Asphalt Jungle“ und „Rio Grande“ im Kino laufen). Damals trug man als Gangster noch Anzug und Hut und fuhr in stromlinienförmige Autos durch die Stadt, deren Straßen von charakteristischen, großen Reklameschildern gesäumt waren. Natürlich präsentiert Marini seine Story in Schwarz-Weiß, bzw. in Grautönen, alles handgezeichnet, versteht sich, wobei sich als markantes, farbtupfendes Gimmick die Verwendung von Rot durch die Seiten zieht, von Caprices/Debbies Haaren bis zur Ketchupflasche. Aktuell zeichnet Marini noch den abschließenden Band 2, der vielleicht in eine andere Richtung geht. Auf jeden Fall werden wir uns hier noch etwas gedulden müssen. Und das gerne. (bw)

Noir Burlesque, Band 1
Text & Bilder: Enrico Marini
104 Seiten in Farbe, Hardcover
Carlsen Verlag
24 Euro

ISBN: 978-3-551-76390-7

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