Hombre, Band 1 (All Verlag)

Januar 23, 2019
Hombre Gesamtausgabe, Band 1 (All Verlag)

Wieder einmal die Apokalypse: 20 Jahre nachdem die Welt wie wir sie kennen, endgültig durch uns selbst zugrunde gerichtet und zivilisatorisch in Richtung Steinzeit zurückgeschleudert wurde, herrscht unter den Überlebenden das Gesetz der Stärkeren. Zu diesen kann sich auch unser Held immer wieder rechnen, ein namenloser Einzelgänger, den alle nur „Hombre“ nennen. Hombre kennt die „alte“ Welt noch, hat es aber bisher geschafft, sich in der unwirtlichen und grausamen postapokalyptischen Gegenwart zu behaupten. Eines Tages, als er einmal mehr auf der Flucht ist, rettet er ein Baby vor dem sicheren Tod. Wider besseres Wissen nimmt er sich des Kleinen an und beschützt ihn vor verwahrlosten, kannibalischen Irren und gierigen Bösewichten („Wir sind nicht so hart, wie wir dachten“).

Szenenwechsel: Hombre ist mit einer Gruppe auf einem Floß unterwegs. Nach einem Überfall bleiben neben ihm nur noch zwei Männer und eine Frau übrig. Scheinbar endlos geht Fahrt durch sich windende Canyons und menschenleere Schilflande. Die Nahrung wird knapp, die Spannungen an Bord immer größer, wieder kommt Kannibalismus ins Spiel. Dann trifft man auf einen durch das nahe Atomkraftwerk mutierten und völlig degenerierten Stamm. Nach einer kuriosen Begegnung mit einem selbstfahrenden Panzer aus der Zeit vor dem großen Knall („Der letzte Feind“) scheint Hombre endlich Glück zu haben: Auf einem gestrandeten alten Dampfer findet er so etwas wie eine Familie und eine Heimat und mit Maureen eine Gefährtin. Die brüchige Idylle sollte immerhin 2 Jahre halten. Dann wird das Schiff von einer Killer-Bande mit wehenden Umhängen überfallen. Hombre kann als Einziger dem Blutbad entkommen und erhält dabei tatkräftige Unterstützung von einer schönen Unbekannten.

Die nennt sich Atila und wird bald seine Komplizin in Sachen Rache. Denn auch ihr hat Latigo, der Anführer der marodierenden Bande, übel mitgespielt. Doch nach Monaten der Suche und des Wartens lassen Hombres Rachegelüste nach – er sehnt sich einmal mehr nach Ruhe und Frieden. Er verlässt Atila und findet ein Kloster mit einer riesigen Bibliothek – das Gedächtnis der Menschen. Und ausgerechnet hier, an einem Ort des Friedens und der Einkehr, bietet sich für Hombre dann doch noch die überraschende, weil völlig unerwartete Gelegenheit zur Rache („Atila“)… Der Winter treibt Hombre in die Stadt, eine verkommene und gefährliche Kloake. Dort versucht er mit dem Handel von gepökeltem Fisch und dem Verkauf von billigem selbstgebranntem Fusel etwas Geld zu machen. Und trifft unvermittelt wieder auf Atila, die verschleppt wurde und an ein Bordell verkauft werden soll. Wieder bilden die beiden eine Zweckgemeinschaft, ehe sie ihre Gefühle füreinander eingestehen… („Überlebe, so lange du kannst“)

Das Endzeit-Szenario ist im Fantasy-Comic fest verhaftet und variiert in zahlreichen Facetten von gemäßigt (Hermanns „Jeremiah“) bis heftig (Rick Remenders „Devolution“), gerne auch mit einem gruseligen Schuss Zombies (natürlich „The Walking Dead“, aber auch Alan Moores wunderbares „Crossed + Einhundert“). Hier ist die Welt, die die beiden Spanier Antonio Segura und José Ortiz uns kredenzen, einfach nur hinüber. Back to the Roots heißt die Devise und damit auch zurück zum Recht des Stärkeren. Das nehmen in der Regel Banditen und anderes Kroppzeug für sich in Anspruch. Man tötet erst, dann fragt man. Wenn überhaupt. Hombre, unser Held, schafft es meistens solche Situationen einigermaßen unbeschadet zu überstehen. Sein Überlebensinstinkt und seine Lebenserfahrung helfen ihm dabei. Immerhin ist er schon Mitte Vierzig, trägt bereits eine „hohe Stirn“, ist grau meliert, was er mit längeren Haaren kompensiert (ganz die Frisur, wie sie während der Entstehung der Serie Mitte der Achtziger angesagt war). Hombre ist nicht der heldenhafte Muskelprotz, aber er scheut auch nicht die Konfrontation. Doch immer wieder zeigt er eine gewisse Hulk-Attitüde: er will nur seine Ruhe und sich dabei von seinen wenigen Mitmenschen fern halten.

Bereits vergriffen: Die Vorzugsausgabe (111 Ex.)

Entsprechend des rauen Klimas sind die Geschichten gewalttätig und gnadenlos, wobei der Leser nicht selten direkt und unvermittelt ins Geschehen geworfen wird. Hombre wird verfolgt, er wird angegriffen, seine Mitstreiter werden gleich zu Beginn erschossen. Wohl auch deshalb vermeidet er zwischenmenschliche Beziehungen, wohlwissend, dass dafür in dieser Welt kein Platz ist. Glück ist trügerisch und vergänglicher denn je. Einige der Storys sind episodisch angelegt, was mit ihrer ursprünglichen Veröffentlichungshistorie in Comic-Magazinen geschuldet ist. Die erste Begegnung mit Atila, der der Verlust seiner Gefährtin vorangeht, bildet das Kernstück des Bandes und geht über Albumlänge. Als simple Rachestory beginnend, gleitet die Handlung mit der finalen, unerwarteten Begegnung mit dem vermeintlichen Bösewicht Latigo in tiefgründiges Fahrwasser und wird zu einer philosophischen Betrachtung von Gut und Böse und damit verschiedener Standpunkte. Gibt es in dieser Welt noch Werte, die es um jeden Preis zu bewahren lohnt?

Die junge Atila, die nach der Katastrophe geboren wurde und sich daher selbst zu dem „neuen Volk“ zählt, das ohne Altlasten sein Leben bestreitet, am besten noch in Einklang mit der Natur, wird zum roten Faden, zu einer Konstanten in der Handlung. Nach einer eher humorvollen Schwarz-Weiß Episode treffen sich die junge Dame und Hombre unvermittelt in der Stadt wieder. Dass es zwischen den beiden funkt, weiß der Leser da schon längst. Neben all den genre-übergreifenden story-technischen Möglichkeiten, die eine Endzeitwelt bietet und die auch wahrgenommen werden – mit Elementen aus Science Fiction, Horror und Fantasy – ähnelt sich der Aufbau der Geschichten, v.a. der kurzen Episoden: Hombre versucht ein ehrbares Leben, welches durch Bösewichte zerstört wird. Dann jagt er diese, bringt sie zur Strecke, zieht weiter und beginnt von neuem. Die Damen, durchweg ansehnlich gut bestückt, gestalten ihren Part vorzugsweise textilfrei, was auch der erwachsenen, in der Mehrheit männlichen Zielgruppe geschuldet sein mag.

Die Spanier Antonio Segura und José Ortiz (von denen bei Alpha/Edition Kunst der Comics drei Bände ihrer Serie „Burton & Cyb“ erschienen), beide bereits verstorben, schufen ihren harten Endzeithelden, der sich in einer unwirtlichen, amoralischen Welt immer wieder aufs Neue behaupten muss, in den Achtziger Jahren. Die dreibändige Gesamtausgabe im All Verlag ist nicht die erste Hombre-Veröffentlichung bei uns. Bereits der Feest Verlag brachte 1985 zwei Bände, gefolgt einem weiteren bei Bastei Anfang der Neunziger. Ortiz‘ Zeichenstil steht ganz in der Tradition der spanischen Schule, die man bestens kennt von Zeichnern wie Juan Giménez (der ist Argentinier, lebt aber in Spanien), Alfonso Azpiri, Antonio Palacios oder Jordi Bernet, dessen Frauenfiguren ganz ähnlich aussehen und mit dem Segura „Sarvan“ schuf (dt. bei Feest). In großzügigen Panels setzt Ortiz seine Bösewichte in Szene, denen moralische Verkommenheit und Niedertracht stets anzusehen ist (was wiederum an die Arbeiten von Don Lawrence erinnert). Die Farben sind kräftig bunt und fein abgestuft. Tristesse sucht man in der Optik vergebens. Ein Vorwort von Alfonso Font und Portraits der Autoren runden den großformatigen Band ab. (bw)

Hombre Gesamtausgabe, Band 1
Text: Antonio Segura
Bilder: José Ortiz
200 Seiten in Farbe, Hardcover
All Verlag
24,80 Euro

ISBN: 978-3-946522-34-8

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