Punisher: Das erste Jahr (Panini)

Juni 16, 2016

Punisher: Das erste Jahr (Panini)

Para Bellum. Si vis pace, para bellum. Wenn Du Frieden willst, bereite Dich auf den Krieg vor. Meinte zumindest der alte Cicero, der ja bekanntlich redegewandt war. Gemeint ist damit: mit manchen Zeitgenossen ist schlicht und einfach nicht gut Kirschen essen, da lohnt es schlichtweg nicht, eine einvernehmliche Lösung zu suchen, es hilft nur die harte Tour. Das lässt sich famos auf radikale Haltungen für alle Lebenslagen trivialisiert übertragen, weshalb man es dem Marine Frank Castle mitsamt seinen Kameraden als Motto eingehämmert hat. Castle hat seine Army-Stiefel allerdings an den Nagel gehängt und genießt mit seiner Frau Maria und zwei Kindern das bürgerliche Leben. Bis zum Schicksalstag, als er im Central Park in den Kugelhagel einer Mafia-Hinrichtung gerät. Als Kollateralschaden, wie man das im Politikjargon so bezeichnet. Einziger Zeuge ist der abgehalfterte und versoffene Journalist McTeer, der an den Ort des Geschehens wackelt und selbst durch den Alkoholnebel kapiert, dass hier das lauert, was er dringend braucht: eine heiße Story, die ihn beim Daily Bugle endlich wieder nach vorne bringt. Die anrückende Polizei will schon alles in schwarze Säcke verpacken, als man nicht schlecht staunt: Castle ist zwar schwer verletzt, aber der Hüne hat das Massaker wohl als einziger überlebt. Womit er allerdings zur Zielscheibe der Mafia avanciert, die in ihm nun einen unliebsamen Zeugen ihres wüsten Treibens eliminieren muss.

Nur knapp entgeht Castle im Krankenhaus einem Mordversuch, bei dem er in einer Verzweiflungsattacke seine Angreifer wie ein Berserker anspringt und umzubringen droht. Detective Johnny Laviano kann ihn gerade noch überzeugen, davon abzulassen: die Polizei werde alles tun, um die Verbrecher zur Strecke zu bringen. Castle lässt sich darauf ein, versucht die Trauer über seine ermordete Familie damit zu überstehen, dass er die Täter identifiziert und bereit ist, als Zeuge gegen den Mafia-Clan der Familie Costa auszusagen, der den Behörden bislang immer durch die Lappen ging. Aber die Macht des Clans geht weit: die Korruption reicht bis in die obersten Ebenen, und noch bevor eine Verhandlung stattfinden kann, sind alle Lumpensöhne auf freiem Fuß. Castle geht daher auf den Vorschlag des Journalisten McTeer ein, der ihm vorgaukelt, er habe das gleiche Schicksal erlitten und seine Frau bei einem Überfall verloren. Der vermeintlich heroische Enthüllungsjournalist hat natürlich nur seinen Vorteil im Sinn, und als man Castles Haus in die Luft jagt und der Gebeutelte auch noch herausbekommt, dass McTeer ihn nach Strich und Faden belügt, reißt ihm endgültig der Geduldsfaden. Desillusioniert greift er selbst zu den Waffen, macht mit Hilfe des eingeschüchterten McTeer einen Halunken nach dem anderen ausfindig und beginnt eine gnadenlose, grausame Vendetta gegen die, die sich unantastbar wähnten…

„Ich rede nicht von Rache, das wäre ein niederes Motiv… ich rede von Bestrafung.“ So liest sich die Rechtfertigung der Selbstjustiz, die der „Bestrafer“ (so hieß er im Deutschen lange Zeit!) seit seinem ersten Auftreten in einer Spider-Man-Story 1974 in immer abgewandelter Form vorbrachte. Das System ist korrupt, weder die Polizei noch die Öffentlichkeit werden Dir zu Hilfe eilen – also hilf Dir selbst. Das war stets politisch höchst unkorrekt, die Figur des schnell schießenden Veteranen mit dem Totenkopf auf der Uniform daher immer durchaus kontrovers, aber dennoch massiv populär und in vielen Inkarnationen unterwegs. Eigentlich liefert Frank Castle nichts anderes als einen ins Extrem getriebenen Superhelden: aufgrund einer persönlichen Tragödie (Tod der Familie) wirft er sich in eine schwarze Kluft und nimmt die Dinge selbst in die Hand, immer weit außerhalb des Gesetzes, aber natürlich immer im Rahmen der höheren Gerechtigkeit. Das gilt auch für einen anderen, noch beliebteren Psychopathen, der als Fledermaus für Angst und Schrecken sorgt, aber Castle übertritt ganz bewusst die rote Linie, die für Batman immer galt: keine Morde. Steht schon Batman als Vigilant immer wieder unter kritischer Beobachtung, geht Castle einfach einen Schritt weiter – ist das nun gesetzlos oder nur recht und billig? Nicht legal, aber legitim, weil sonst ja niemand hilft? Den Weg dahin versuchten die Autoren Dan Abnett und Andy Lanning in ihrer Mini-Serie nachzuzeichnen, die schon 1994 erschien. Durchaus liebevoll im 70er-Jahre-Szenario gehalten, komplett mit Schlaghosen und Wählscheibentelefonen, spinnen sie eine Geschichte um die Tage nach dem Schicksalsschlag, der 1975 erstmals als Origin des Punishers erwähnt wurde.

In einer durchaus symbolhaften Reihung scheitert Castle an der offiziellen Ordnung in Form von Polizei und Presse – erst als seine Versuche, den legalen Weg zu gehen, sich als sinnlos erweisen, nimmt er die Gerechtigkeit selbst in die Hand. Das ist verpackt in innere Monologe, marvel-universelle Querverweise (beim Bugle läuft man dem jungen Fotografen Peter Parker über den Weg) und vor allem einen existentialistischen Duktus, der mehr als nur deutlich an einen Frank Miller erinnert. Teilweise allzu offensichtlich ist der Versuch, hier eine Kombination aus „Batman: Year One“ (nomen est omen) und den Daredevil-Storylines „Born Again“ und „The Man Without Fear“ zu basteln, von der optischen Gestaltung durch Dale Eaglesham bis hin zum Guerilla-Bandenkrieg, den ja auch der junge Matt Murdock anzettelt und damit die Spielregeln ändert und „den Krieg beginnt“, von dem Detective Laviano, dem das Treiben des Vigilanten durchaus zusagt, auch hier am Ende spricht. Castles Enttäuschung der Polizei gegenüber kommt noch überzeugend daher, die Substory um den eigennützigen Reporter dagegen vermag nicht ganz die Gravitas zu erzeugen, die ihr offenkundig innewohnen soll. Gerade aufgrund der aktuellen tragischen Vorfälle, der in den USA endlos geführten Diskussion um Waffengesetze und Massaker, um die immer stärker hochkochende Frage der inneren Sicherheit und aufkeimendem Fremdenhass erfährt das Punisher-Konzept dennoch eine neue Brisanz und lädt zur Diskussion geradezu ein. Somit passt die deutsche Veröffentlichung auch nach all den Jahren genau ins Hier und Heute, wobei Panini sicherlich auch durch die Auftritte des Punishers in der durchaus erfolgreichen Daredevil-Fernsehserie inspiriert worden sein dürfte. Bestrafer-Freunde finden in diesem Band die gesamte Miniserie „The Punisher: Year One“ von 1994. (hb)

Punisher: Das erste Jahr
Text: Dan Abnett, Andy Lanning
Bilder: Dale Eaglesham
108 Seiten in Farbe, Softcover
Panini Comics
12,99 Euro

ISBN: 978-3-95798-779-2

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