Familienbande haben immer etwas Wohliges. Auch dann, wenn man wie die junge Liesel des Nächtens über Friedhöfe stapft und untotem Blutsaugerkroppzeug den Garaus macht. Der gute Herr Papa war nämlich niemand anders als der unvergleichliche Abraham van Helsing, der dem Obermeister der Vampire und zahlreichen Gefolgswesen ordentlich Weihwasser einschenkte. Durch eine Zeitanomalie ist Liesel van Helsing in die Gegenwart katapultiert worden und versucht dort, das zu führen, was im Rahmen des Möglichen ein halbwegs normales Leben ist – was sich angesichts ihrer Herkunft, ihres Jobs und auch ihres Liebeslebens (sie hat eine on/off-Beziehung mit dem Gott der Unterwelt Hades – das nennt man dann wohl „it’s complicated“) nicht gerade einfach gestaltet.
Und als ob das der Verwirrung nicht genug wäre, bekommt Liesel eines Tages ein Päckchen, das das Tagebuch ihres Vaters enthält. Dort beschreibt der gute Abraham, wie er einen besonders fiesen Vampir namens Walt Melville nachstellte und dabei erkennen muss, dass manche der Untoten immun gegen den berühmten Holzpflock zu sein scheinen. Die letzten Seiten der Aufzeichnungen fehlen allerdings leider, weshalb sich Liesel auf die Reise nach Rom macht, woher der Band zu stammen scheint: im Antiquariat „Harkers Bookshop“ findet Liesel tatsächlich eine Spur, aber kaum will sie den Besitzer zur Rede stellen, fallen auch schon drei Vampirdamen über sie her, die unsere schlagkräftige Heldin erst mal in die Flucht schlagen muss.
Jonathan Harker, so der volle Name des furchtsamen Buchhändlers, hält tatsächlich die restlichen Unterlagen ihres Vaters für Liesel bereit. So findet sie heraus, dass Vater Abraham auch in Rom weilte, um sich dort Rat gegen die offenbar untötbare Rasse von Vampiren zu holen. Melville verfolgte ihn dabei, holte ihn ein und tötete seine Frau Elisabeth, worauf van Helsing der ganzen Jagerei abschwor und nach London heimkehrte – wo die Geschichte die verstörte Liesel nun einzuholen scheint…
Über die Rührigkeit des Zauberstern-Verlags kann man nur noch staunen: die Herrschaften legen uns hier neben „Phantom“, „Flash Gordon“ und „Mikros“ gleich die nächste Heftserie vor, die für Verlags-Cheffe Simeon nach eigenen Worten eine Herzensangelegenheit war. Immerhin zeichnet der rührige Kollege verantwortlich für sage und schreibe 56 (!) Folgen der Hörspielserie „Faith van Helsing“, in der in einer Mischung aus John Sinclair, Buffy und „Die Schöne und das Biest“ eine Nachfahrin von Vadder Abraham gegen allerlei Lumpensöhne antritt. Die deutsche Fassung der Reihe um Liesel aus dem Hause Zenescope bringt der gute Simeon nun standesgemäß im Großformat mit 100 Seiten unters staunende Volk, wobei Story und Gestaltung gleichermaßen schmissig sind.
Liesel selbst steht ihrer offenkundigen Inspiration Buffy Summers in Nichts nach, von selbst erfundenen Anti-Vampir-Geschossen über flotte Sprüche („Ein bisschen Hack and Slay schadet nie“) und ein turbulentes Liebesleben (Hades mag nicht verraten, wie viele Seelen er auf dem Gewissen hat, aber ein anzügliches Snapchat-Foto schickt er gerne mal rüber) bis hin zu Ermittlungen in der auch buchstäblichen Unterwelt. Dabei versteckt sich manches spaßige Detail: in Rom z.B. läuft im Kino gerade Dario Argentos „Tenebrae“, Jonathan Harker ist angesichts seines bedeutungsschweren Namens sicherlich nicht so ahnungslos, wie er tut, und auch eine gewisse Mina greift ins Geschehen ein.
Optisch bewegen wir uns im Superhelden-Duktus, wobei Liesel selbst irgendwo zwischen Harley Quinn, der Königin der Netzstrümpfe Zatannah und einer Steampunk-Dame changiert. Das vorliegende Heft 1 enthält die Originalausgaben „Das Licht der Finsternis“ Teil 1 bis 4 („The Darkness and the Light“ Part 1-4), die 2014 bei Zenescope erschienen, und kommt mit zwei Variant-Covern. Heft 2 liegt schon in den Regalen! (hb)
Van Helsing Magazin, Heft 1
Text: Pat Shand, Joe Brusha, Ralph Tedesco
Bilder: Tony Brescini, Andres Esparza
100 Seiten in Farbe, Magazinformat
Zauberstern Comics
9,99 Euro
