TMNT: The Last Ronin (Splitter)

September 15, 2023
Teenage Mutant Ninja Turtles: The Last Ronin (Splitter Verlag)

Düstere Zeiten in New York: in einer postapokalyptischen Welt regiert der fiese Oroku Hiroto, Enkel des Oberlumpensohns Shredder und aktueller Chef im Foot Clan, mit eiserner Hand. Die Stadt ist geteilt in drei Ebenen, in die eines Tages eine wunderliche Gestalt eindringt: eine mannsgroße, offenkundig mutierte Schildkröte, die – begleitet von drei imaginären Mitstreitern, die nur für den Angreifer selbst sichtbar scheinen – offenbar das Ziel verfolgt, bis in die Oberen Ebenen vorzudringen. Das klappt nur bedingt, die Attacke schlägt fehl, und nur mit viel Glück entkommt der Kröterich den Cyber-Ninjas (sinnigerweise „Synjas“ genannt) des Foot Clans. Als der verzweifelte Geselle in den U-Bahn-Schächten aus Trauer um seine verlorenen Brüder Harakiri begehen will, kommt eine junge Dame dazwischen und verhindert gerade noch Schlimmeres.

Beim Erwachen findet sich die Turtle in einem Versteck wieder, in dem ihn niemand anders als die alte Weggefährtin April mit Namen begrüßt: Michelangelo ist der letzte Überlebende der ehemals so mächtigen Teenage Mutant Ninja Turtles, der einen letzten verzweifelten Rachefeldzug gegen den Foot Clan führen will, um die Ehre der Familie wieder herzustellen. April, die im finalen Kampf gegen Oroku schon schwer verletzt wurde und nur durch Prothesen überlebt, reflektiert gemeinsam mit Michelangelo über das Geschehene: in einer gewaltigen Schlacht gelang es zwar, Orokus Mutter Karai zu besiegen und ins Koma zu befördern, wo sie der Sohnemann heute noch aufbewahrt, aber der Preis schien allzu hoch – wobei sich Michelangelo an nicht mehr viel erinnern kann, außer dass er als letzter Überlebender seines Clans die letzten Jahre als Ronin, also Samurai ohne Herr, umherwanderte.

In jedem Falle staunt er nicht schlecht, als ihm Casey entgegentritt – und zwar nicht der ebenfalls getötete, bekannte frühere Sidekick mit Hockey-Maske, sondern vielmehr die gleichnamige Tochter, die er mit April hatte. Gemeinsam fasst man den Plan, gegen den Foot Clan vorzugehen, was sich alles andere als leicht gestaltet – immerhin ruft Hiroto das Kriegsrecht aus und überzieht New York mit einer wahren Terrorherrschaft. Als Gegenmittel packt April nicht nur den Androiden Fugitoid aus, sondern auch eine ganze Flotte von Kampfgefährten, mit denen man nun in die vermutliche endgültige Schlacht zieht. Während Michelangelo sich mehr und mehr erinnert, wie er seinerzeit nach Japan reiste, um Vater Splinter und Bruder Donatello zu warnen, die auf offenbar fingierte Friedensverhandlungen mit dem Foot Clan hereinfielen, treffen Despot und Widerständler in New York aufeinander…

Kevin Eastman und Peter Laird haben halt immer noch ein Ass im Ärmel. Die Turtles-Erfinder landen mit dieser düsteren Story einen massiven Hit, der auch in der hier vorliegenden deutschen Ausgabe Rekorde bricht und nach kürzester Zeit schon in die dritte Auflage ging. Das Geheimnis des Erfolges ist ein veritabler Kunstgriff: waren die TMNTs ursprünglich als fesche Parodie auf die finsteren Bildgeschichten der 80er vom Schlage eines Daredevil, Ronin und Dark Knight Returns konzipiert, rücken Eastman und Laird nun an eben jene Inspirationen heran. Ohne jede Persiflage breitet sich hier eine düstere Welt aus, in der ganz im Zuge von Metropolis, Blade Runner oder dem Fünften Element die Stadt ein Moloch ist, geteilt in Obere Etage und Rock Bottom, wo ein brutal realistischer Foot Clan regiert, der eigentlich ja als spaßige Replik auf die Ninjas von The Hand in Frank Millers Daredevil-Run entstand.

Ober-Ninja-Dame Elektra selbst wird hier optisch eindeutig in Form von Shredders Tochter Karai zitiert, und Michelangelo erscheint als düsterer Rächer, den die Geister seiner toten Brüder wortwörtlich verfolgen. Die Ratte Splinter als Lehrer kommt hier massiv unter die Räder, wodurch Michelangelo selbst (à la Stick in Daredevil) die Rolle des Sensei für Casey übernehmen darf. Der ursprüngliche Sidekick mit der Hockeymaske ist längst tot, seine Tochter tritt in seine Fußstapfen, und April überlebt nur mit schwersten körperlichen Beeinträchtigungen – weiter weg vom lustigen Zeichentrick der Saturday Morning Cartoons der 90er kann man nicht gehen.

Frank Millers düsteres Epos „Ronin“ um den verlorenen Samurai erscheint auch optisch evoziert in den sehr stilisiert-grobkörnig gestalteten Erinnerungspassagen, in der Michelangelo die katastrophalen Ereignisse rund um die angeblichen Friedensverhandlungen durchspielt. Somit also wahlweise ein Schlag in die Magengrube oder ein Fest für die Freunde der ersten Stunde, quasi eine erwachsene Fassung der Grundidee, die eben durch die inhaltliche und stilistische Annäherung an die eigentlich parodierten Vorbilder beeindruckt und brilliert. Und ja, auch die heißgeliebte Pizza kommt zum Tragen – kurz, im Rückblick, immerhin sind wir hier ja ernsthaft unterwegs. Bei Splitter erscheint das voluminöse Werk im schmucken Hardcover mit Cover-Galerie und einem Vorwort von Regie-Veteran Robert Rodriguez. Wir sind gespannt, wann die nächste Auflage ins Haus steht. (hb)

Teenage Mutant Ninja Turtles: The Last Ronin
Text: Kevin Eastman, Peter Laird, Tom Waltz
Bilder: Esau Escorza, Ben Bishop, Isaac Escorza, Kevin Eastman
224 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
35 Euro

ISBN: 978-3-98721-215-4

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