Brenzlig schaut es aus für die Krell, als ein Forschungsschiff zu nahe an ein schwarzes Loch gerät. Genis-Vell, seines Zeichens Sohn des originalen Kapitäns Wunder Mar-Vell, tut sein Bestes, ist aber dennoch heilfroh, als ihm in Gestalt einer silbernen Silhouette Schützenhilfe entgegeneilt. Der Silver Surfer staunt allerdings nicht schlecht, als plötzlich der doch eigentlich verstorbene Mar-Vell an seiner Seite ist und nichts von irgendwelchen Söhnen wissen will. Eine solche Verwirrung der Tatsachen kann nur eine Ursache haben: der Stein der Realität, als letzter der Infinity Stones in der Obhut des zurückgezogen lebenden Titanen Thanos, ist abhandengekommen. So ist es auch, wie der erzürnte Titan feststellt: irgendein Lump hat ihm den Stein geklaut und treibt nun Schindluder mit der Realität. Dank kosmischer Kräfte scheint der Surfer bestens als intergalaktischer Spürhund geeignet, zumal der Gute immer noch von Schuldgefühlen wegen seiner Zeit als Herold des fiesen Galactus geplagt wird und daher als Ehrenmann gilt.
So macht sich das ungleiche Pärchen – Surfer auf Surfbrett, Thanos auf schwebendem Thron – auf den Weg, nur um in diverse Zerrbilder der Realität abzugleiten: Thanos sieht sich mit seiner Ziehtochter Nebula konfrontiert, die er wieder mal umbringt, nur um Mistress Death in fröhlicher Hörigkeit nachzulaufen. Der Surfer traut seinen Augen kaum, als er sich plötzlich wieder in Diensten von Galactus wiederfindet, für den er leckere Welten zum Verspeisen suchen muss. Natürlich rebelliert der gute Norin Radd auch in dieser Version der Wirklichkeit, und auch gleich vier Zerrbilder seiner selbst halten ihn nicht davon ab, sich mit Thanos wieder auf den Weg dorthin zu machen, wo sich der Stein der Realität verbirgt. Niemand anders als der fiese Roboter Tyrant hat das mächtige Teil nämlich in seine Gewalt gebracht und schickt seinen Vasallen Jack of Hearts ins Rennen, um die beiden Angreifer zurückzuwerfen…
Mit dem „Silberstürmer“ Norin-Radd, der zur Rettung seiner Heimatwelt Frondienst als Herold des Weltenverschlingers Galactus leisten muss und auf der Erde gegen seinen Herrn rebelliert, kreierte Jack Kirby (Stan Lee musste erst vom galaktischen Windsurfer überzeugt werden) 1966 eine der wohl schillerndsten Figuren des Marvel-Universums, deren erster Auftritt in der „Galactus“-Trilogie der Fantastic Four gemeinhin als Sternstunde des „Silver Age“ der Comics gilt. Über die Jahre versuchten sich namhafte Autoren und Illustratoren an ihrer Version des philosophischen, introspektiven Weltraumhelden, was Autor Ron Marz hier auch elegant einbringt: neben direkten Repliken auf die ikonischen Szenen, in denen die Fantastischen Vier den grimmen Galactus über den Dächern von New York bekämpfen, treten in den vier Zerrbildern der Surfers die Versionen der Meister Jack Kirby, John Buscema, Mike Allred und natürlich Moebius auf, der in seinem One Shot „Parable“ gemeinsam mit Stan Lee außerhalb aller Kontinuität ein Ausrufezeichen setzte.
Innerhalb des Marvelverse siedelt Marz die hier vorliegende Miniserie nach den Ereignissen des intergalaktischen „Infinity Gauntlet“-Epos an: Thanos lebt wie ein zurückgezogener Farmer und darf auf Anweisung von Adam Warlock nur noch den Stein der Realität hüten. Die realitätsverzerrenden Kräfte des Steins nutzt Marz zu einem wilden Ritt durch die Marvel-Geschichte, die von der in großen Strichen gestalteten Storyline (in der sich die „Gaststars“ wie Nebula, Mistress Death, Tyrant und der „umgepolte“ ex-Held Jack of Hearts die virtuelle Klinke in die Hand geben und auch eine alternative Vergangenheit des Surfers als Familienvater Norin Radd erscheint) bis hin zu massiven Splash Pages an die seligen 90ern erinnern. Dazu trägt auch die Gestaltung durch Infinity-Veteran Ron Lim bei, der an einigen Ausgaben der Thanos-Epen maßgeblich zeichnerisch beteiligt war. Insofern ein parforce-Ritt durch die Marvel-Historie, der rein storytechnisch auch für Einsteiger verständlich ist, seinen vollen Reiz allerdings nur dann entfaltet, wenn die reiche Geschichte des Silberstürmers im Hintergrund mitgedacht wird. Der vorliegende Sammelband enthält die komplette Miniserie „Silver Surfer Rebirth 1–5“ aus dem Jahr 2022.
Der Band ist auch in einer auf 333 Exemplare limitierten Variant-Ausgabe erhhältlich – ebenfalls als Softcover (siehe Bild rechts). Und jetzt suchen wir gleich mal den Superhelden Superband aus dem seligen Williams Verlag, in dem wir damals die „Saga um den Silberstürmer“ mit roten Ohren verfolgten. (hb)
Silver Surfer – Wiedergeburt
Text: Ron Marz
Bilder: Ron Lim
120 Seiten in Farbe, Softcover
Panini Comics
15 Euro
ISBN: 978-3-7416-2891-7