Zentralafrika: das Menschenaffenweibchen Kala zieht ein Junges auf, das so gar nicht ins Muster passt – keine Haare, weiße Hautfarbe und seltsamer Körperbau. Den Zögling hat sie bei einem Angriff ihrer Herde auf eine einsame Hütte im Dschungel gerettet, bei dem ein Schiffbrüchiger, der um seine tote Frau trauerte, getötet wird. Der kleine Mensch wächst heran und entdeckt irgendwann selbst die Hütte, in der er neugierig Bücher und Fotos studiert, die ihm zeigen, dass er eigentlich zu einer anderen Art gehört. Aus einem Kinderlexikon und einer Schallplatte, die er wieder und wieder auf dem Grammophon abspielt, erlernt er bruchstückhaft Sprache und entziffert auch langsam das Tagebuch, das sein Vater John Clayton hinterlassen hat.
Nachdem Tarzan – so nennt sich der Junge alsbald nach dem Begriff für „weiße Haut“ in der Sprache seiner neuen Familie, der Mangani-Affen – sich in der Herde durch diverse Heldentaten Respekt verschafft hat, schlägt allerdings das Schicksal erneut zu: eine Rotte Kannibalen tötet seine Affenmutter Kala auf einem Beutezug, worauf Tarzan das Dorf überfällt und grausame Rache nimmt. Zeitgleich gelangt eine Expedition um den Forscher Professor Porter aus Baltimore in das Dschungelgebiet, wo man das berühmte „fehlende Glied“ der Evolutionskette zu finden hofft. Porter, begleitet von diversen Großwildjägern und seiner tatkräftigen Tochter Jane, findet ebenfalls die verlassene Hütte der Claytons und treten vor den alsbald angreifenden Kannibalen die Flucht in den Dschungel an. Als ein monströser Gorilla Jane entführt, greift Tarzan, der die Menschen aus sicherer Entfernung beobachtet hatte, beherzt ein und rettet die Holde, die ihm in Folge näher kommt und die Beengung der so genannten Zivilisation immer weiter hinter sich lässt…
Mit seinem Helden Tarzan erschuf Edgar Rice Burroughs eine der wohl ikonischsten Figuren der modernen Literatur, deren Bekanntheit an die von Sherlock Holmes, Superman oder Micky Maus heranreicht. In Folge multimedial verbreitet in zahllosen Filmen, Roman und Comics, erblickte John Clayton, Lord Greystoke, am 27. August 1912 in der Oktober-Ausgabe des All-Story Magazine das Licht der Welt. Angelehnt an die „wild child“-Mythologie, die auch Rudyard Kipling für den Mowgli aus seinem Jungle Book verwendete, der als Waise bei einem Wolfsrudel aufwächst, versetzte Burroughs dieses Motiv mit einem gehörigen Schwung Pulp-Helden-Fiktion: sein Tarzan wächst im Dschungel zu einem Hochleistungssportler heran, dessen Körperbau mit den Fantasy-Pulp-Heroen vom Schlage seiner eigenen Schöpfung John Carter, aber auch eines Conan wetteifert. Wie auch sein Kollege Robert E. Howard kontrastiert Burroughs die ungezähmte Vitalität, aber auch Integrität seines „unzivilisierten“ Protagonisten, des viel zitierten „edlen Wilden“, der sein Leben riskiert, um andere zu retten, mit der Enge der normierten englischen und amerikanischen Gesellschaft, in der auf Jane nur eine Vernunftehe wartet, mit der sich ihr Vater finanziell sanieren will.
Die animalische, erotische Attraktion zwischen Jane und Tarzan erscheint in dieser Umsetzung auch optisch elementar, wobei sich Christophe Bec (der sich neben seinen Science Fiction Epen auch gerne klassischen Stoffen zuwendet – siehe „Vergessene Welt“) nah an der Vorlage entlanghangelt und vor allem in der ersten Hälfte weitgehend ohne erklärende Texte auskommt, was Tarzans langsamer Aneignung von Sprache und differenziertem Denken entspricht. Die optische Gestaltung von Stevan Subic (M.O.R.I.A.R.T.Y. ) changiert dabei von sattem Grün und Blau in den Dschungelszenen bis hin zu fast schon apokalyptischen Färbungen bei Tarzans Angriff auf das Kannibalendorf, wobei Subic insgesamt nicht vor durchaus drastischen Impressionen zurückschreckt. Ein fulminanter Auftakt somit, dem schon im Juni die Episode „Tarzan – Am Mittelpunkt der Erde“, eine Adaption des Romans „Tarzan at the Earth’s Core“, folgen soll. Wir dürfen sehr gespannt sein. (hb)
Tarzan – Herr des Dschungels
Text: Christophe Bec, nach Edgar Rice Burroughs
Bilder: Stevan Subic
88 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
19,80 Euro
ISBN: 978-3-96792-176-2