Nevada, Band 2 (Splitter)

Februar 26, 2021
Nevada, Band 2: Route 99 (Splitter Verlag)

Eigentlich will Stuntman Nevada Marquez die Gangster vom Banküberfall in Kansas City samt deren Boss Carlsen jagen – wie uns das Straßen-von-San-Francisco-Intro zu diesem Band spektakulär verrät. Doch zuvor soll er für Filmproduzentin Louise Hathaway einen brisanten Botengang erledigen – nämlich ein Kilo Heroin in Los Angeles bei einem Schauspieler abliefern – als Goodwill Aktion, denn für Louise winkt dafür ein Exklusivvertrag mit jenem Herrn. Nevada holt das Heroin in Chinatown ab und bekommt es sogleich mit dem aalglatten Cheng zu tun, der von ihm das Geld aus dem Banküberfall einfordert, bzw. das Heroin als Ausgleich für seine erlittenen „Verluste“. Natürlich lässt sich Nevada nicht auf den faulen Handel ein und sucht sein Heil in der Flucht, die Dank Wagemut und Harley auch gelingt. Dennoch klebt fortan Cheng an seinen Fersen und dazu das FBI, das den Triaden-Boss seit langem beschattet. Nevadas Weg Richtung L.A. führt entlang der Route 99, auch bekannt als Golden State Highway, wo sich schließlich ein furioser Showdown anbahnt…

Nach Band 1, in dem es Nevada nach Mexiko verschlägt, bestätigt auch der Nachfolger den Eindruck: Die Reihe macht einfach Spaß. Was zu großen Teilen an dem Ambiente, bzw. der Ära liegt, in der die Story spielt. Der Wilde Westen mag zwar Vergangenheit sein, dennoch klingt er noch nach, was sich u.a. in der Hauptfigur widerspiegelt, dem „Cowboy“ Nevada, der das Pferd gegen eine Harley Davidson eingetauscht hat (anders als es das Cover glauben lässt). Als knorriger Haudegen, der entschlossen die Zügel (um bei dem Bild zu bleiben) selbst gerne in die Hand nimmt. Die Filmbranche, in der Nevada tätig ist, steht an der Schwelle zum Tonfilm (wir schreiben das Jahr 1929, wie uns ein Filmplakat am Ende verrät), und frönt noch ganz offen in der Pre-Code Zeit allerlei skandalträchtiger Laster – Hollywood Babylon eben. Passend dazu werden die aufstrebenden, zukünftigen Stars gerne als Normalos oder gar als Loser geoutet, wie in diesem Band die spätere Gangsterfilm-Ikone James Cagney.

Die Story selbst, die die eigentliche Suche nach dem Halunken Carlsen unterbricht, wird durch einen klassischen MacGuffin getrieben – das Heroin löst die Handlung aus, die als eine stetige Mischung aus Verfolgungsjagd mit actionreichen Sequenzen und Roadmovie bestens unterhält. Dabei wechseln sich furiose und ruhige Szenen ab. So wird Nevada auf weiter Flur von einem Doppeldecker attackiert, was an alte Serials oder an Hitchcocks „North by Northwest“ erinnert. Oder er trifft auf die junge Journalistin Dorothy Johnson, die versucht, inspiriert durch Nevada, Reminiszenzen an den alten Wilden Westen mit ihrer Kamera zu finden und einzufangen. Übrigens: Dorothy M. Johnson, eine historische Figur, sollte später eine erfolgreiche Schriftstellerin werden und schrieb u.a. die Vorlagen zu Genre-Klassikern wie „A Man called Horse“ und „The Man who shot Liberty Valance“.

Die Figuren sind von dem eingespielten Autoren-Duo Fred Duval und Jean-Pierre Pécau (u.a. „M.O.R.I.A.R.T.Y.“ bei Splitter und „Tag X“ bei Panini) zügig und trefflich charakterisiert: Nevada als redlicher wie gradliniger Draufgänger, wie wir ihn bereits aus dem ersten Band kennen. Seine Chefin Louise Hathaway (!) – immer von einer leicht verruchten Aura umweht – die neben dem Vornamen auch die Frisur mit Stummfilm-Star Louise Brooks teilt. Der Bösewicht Cheng, elegant wie tödlich, der Ehre und Gesicht wahren muss, indem er Nevada schnappt. Und schließlich die beiden alternden und behäbigen FBI-Agenten, die gerne abwartend aus dem Hintergrund mit leichtem Sarkasmus das Geschehen kommentieren und beinahe stoisch auf ihre Chance warten.

Dass der Neuseeländer Colin Wilson den realistischen klassischen franko-belgischen Westernstil bestens beherrscht, wissen wir spätestens seit seinen Blueberry Alben. Hier konzentriert er sich bei den zahlreichen Actionsequenzen gerne auf das Wesentliche – sprich auf das Geschehen im Vordergrund – und lässt damit auch immer wieder die Panels ganz ohne Sprechblasen das Geschehen erzählen. Ansonsten zeichnet er wie gewohnt angenehm detailliert (Chinatown!), wobei die Farbgebung von Jean-Paul Fernandez sehr stimmig eingestellt ist und das Western-Ambiente, wie auch die Moderne unterstützt. Ein dritter Band ist auch in Frankreich noch nicht erschienen – hier braucht es also noch etwas Geduld. (bw)

Nevada, Band 2: Route 99
Text: Fred Duval, Jean-Pierre Pécau
Bilder: Colin Wilson
56 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
16 Euro

ISBN: 978-3-96219-508-3

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