Aufruhr im Grand Empire: in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts regiert das gloriose englische Königreich die halbe Welt. Dumm nur, dass es Widerständler gibt, die das Regime als Tyrannei sehen und die Herrschaft stürzen wollen. Als erstes Zeichen der Bedrohung radiert eine Bombe Birmingham komplett von der Landkarte – und das nächste Ziel dürfte die Reichshauptstadt London sein. Schnell ist auch klar, wer hinter der Aktion steckt: der gesuchte Aufständische namens Liam Holmes, niemand anderer als Sohn der berühmten Detektivs. Um das Übel an der Wurzel zu packen, greift man in die Zeitreise-Trickkiste: die Regierung schickt einen Supersoldaten namens Johnson zurück ins Jahr 1895, um dort Sherlock Holmes zu ermorden und somit zu verhindern, dass Liam jemals geboren wird. Der jedoch bekommt Wind von der Sache und macht sich ebenfalls auf den Weg, begleitet vom gewaltigen Gefährten Aeschylus, einem nahezu unbesiegbaren Hünen.
Im viktorianischen London kommt es alsbald zum Showdown, in dem Sherlock Holmes nur durch das beherzte Eingreifen seines Vampir-Gefährten Chanes vor dem sicheren Tod gerettet wird. Der ebenfalls angekommene Liam überzeugt den Detektiv, dass er tatsächlich sein Sohn aus einer düsteren Zukunft ist, den Holmes zusammen mit der Telepathin Megan zustande gebracht hat. Als man gemeinsam mit Mycroft Holmes im Diogenes Club über Auswege nachsinnt, kommt es zu einer dramatischen Wendung: Liam verfolgt den wahnsinnigen Plan, das viktorianische London zu vernichten, um den Aufstieg des Grand Empire gar nicht stattfinden zu lassen. Der abtrünnige Sohn taucht unter, aber Holmes und seine Freunde können Johnson dingfest machen und per Telepathie erfahren, wo Liam sich mit seiner Massenvernichtungswaffe versteckt hält…
Sylvain Cordurié liefert einmal mehr eine wilde Melange aus Science Fiction, Horror und Action, die stark auf den Vorgängerbänden aufbaut. Wie in einer Art All Star Cast-Szenario treten die Vampire, (Halb)Dämonen (aus „Sherlock Holmes: Mandragore“), Zeitreisenden und Telepathen auf, die Holmes‘ Weg bislang säumten, und auch die Storyline ist voller Rückbezüge auf die eher phantastisch angehauchten Episoden (so etwa liegt ein Grund für den Aufstieg des Empires darin, dass Königin Victoria in Wahrheit ein dämonisches Wesen ist, wie wir das ja in „Sherlock Holmes und die Zeitreisenden“ erleben durften).
Hauptsächlich aber bedient sich Cordurié natürlich des sattsam bekannten Motivs, mit dem ein gewisser künftiger Gouverneur Berühmtheit erlangte: in einer düsteren Zukunft führt ein einsamer Kämpfer die Rebellen an, die Herrschaftskaste sendet einen Killer durch die Zeit, um die Geburt des Aufmüpfigen zu verhindern, aber auch die Fraktion der Freiheitskämpfer schickt Hilfe hinterher. So weit, so viel Terminator. Dass der vermeintliche Retter eine ganz eigene Agenda verfolgt, ist ein hübscher Twist, ebenso wie die Tatsache, dass mit Aeschylus ein weiteres literarisches Vorbild aufgerufen wird (ein gewaltiger Hüne, verunstaltet, von seinem Schöpfer selbst nicht mit einem Namen versehen – wer könnte das wohl sein?). Insgesamt also ein weiterer, faszinierender Beitrag zum Holmes-Universum, bei dem bestenfalls die etwas abfallende zeichnerische Qualität in Teil 2 der Double-Edition, besorgt von Andrea Fattori, nach der fulminanten Inszenierung von Fabio Detullio ein kleines Haar in die Suppe bringt. Aber das lässt sich leicht verschmerzen. (hb)
Sherlock Holmes Society, Band 3: Die Sünden des Sohns
Text: Sylvain Cordurié
Bilder: Fabio Detullio, Andrea Fattori
96 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
19,80 Euro
ISBN: 978-3-95839-598-5