Dirk Gentlys holistische Detektei, Band 1 (Panini)

Januar 9, 2018

Holistisch geht er vor, der doch etwas exzentrische Dirk Gently: in seiner so benannten Detektei geht man von dem Prinzip aus, dass alle Dinge miteinander verflochten sind, und lässt gerne das scheinbar Offensichtliche links liegen, um sich mit ebenso scheinbar nebensächlichen Aspekten intensiv zu beschäftigen. Solche Schrulligkeit kann es nur in England geben, wo Svlad Cjelli, so sein eigentlicher Name, üblicherweise auch ermittelt. Aber auf der Suche nach neuen Fällen und Abenteuern verschlägt es ihn nach San Diego, wo er im vielsagend betitelten Laden Lupe & Teeblätter, dessen Betreiberinnen Susan und Tonya auch detektivisch dilettieren, auch gleich sein Domizil aufschlägt. Auf dem Weg läuft ihm auch gleich ein kurioser Kasus über den Weg: eine geheimnisvolle Tasche, die er im Flugzeug an sich genommen hat und im Laden öffnet. Zum Erstaunen aller Beteiligten finden sich dort keine Unterwäsche oder sonstige Reiseutensilien, sondern Mordwerkzeuge aller Art nebst einem Ratgeber der doch eher ungewöhnlichen Art mit dem Titel „Leichen entsorgen für Dummies“.

Offenbar gehört die Tasche dem eigentlich ganz harmlos aussehenden Pärchen Estelle und Bill Parsnip, die in San Diego nur ihren Urlaub verbringen wollen, bei dem sie ganz gerne ehemalige Wirkungsstätten berüchtigter Serienmörder aufsuchen und dort deren Taten höchst realistisch „nachstellen“. Das erste Opfer der beiden Mordtouristen ist ein Kumpel des Obdachlosen Crowther, der sich hilfesuchend an Dirk wendet. Kaum hat man eine heiße Spur, kommt aber schon weiteres Ungemach: im Naturkundemuseum bereitet man sich auf eine große Gala zur Eröffnung der Ausstellung über die Grabschätze des ägyptischen Pharaos Echtenchamun vor, als zwei zugehörige Mumien plötzlich zu unheiligem Leben erwachen. Die beiden wandelnden Einbalsamierten, die sich unter den Namen Hote und Craig unters moderne Volk mischen, „leihen“ sich Lebenskraft bei Umstehenden, die dann ihrerseits beginnen zu vermodern. Während Craig noch etwas Zurückhaltung übt und auch sonst moderne Züge aufweist, schwingt sich Hote alias Neferhotep zum größenwahnsinnigen Möchtegern-Pharao auf, der die Eröffnungsgala der Ausstellung zu seiner endgültigen Thronbesteigung nutzen will – aber dagegen haben Dirk, sein Team und auch die CIA-Agentin Kate Schechter ganz gehörig etwas einzuwenden…

Mit den Dirk Gently-Romanen schuf Douglas Adams den gleichen hintersinnigen, leicht absurd-skurrilen Humor, für den auch sein unsterbliches Meisterwerk „The Hitch Hiker’s Guide To The Galaxy“ bekannt ist. Unter dem Titel „Dirk Gently’s Holistic Detective Agency“ erschien 1987 der erste von drei Bänden, den Adams selbst als “Thumping Good Detective-Ghost-Horror-Whodunnit-Time Travel-Romantic-Musical-Comedy-Epic” bezeichnete. In zunächst scheinbar völlig unzusammenhängenden Erzählsträngen entfaltet Adams da eine wüste intergalaktische Zeitreisen-Story, in der erst allmählich das Prinzip des Holismus, also der kausalen Verbundenheit aller Dinge, auch als Erzählprinzip durchscheint, welches im weiteren Sinne an die Chaos-Theorie angelehnt ist. Nach dem Zweitling „The Long Dark Tea-Time of the Soul“, in dem auch die CIA-Agentin Kate Schechter und Thor nebst Vater Odin auftreten, blieb der dritte Teil „The Salmon Of Doubt“ unvollendet. Die rührige BBC richtete trotz der Komplexität des Stoffes eine Hörspiel-Fassung ein, die 2007 über den Äther ging, und produzierte 2010 sogar eine TV-Serie, die es trotz guter Resonanz bei Kritik und Publikum nur auf vier Folgen brachte.

Im Hause IDW verfiel man schließlich 2015 auf die Idee, das Adams-Universum auch als Comic-Version zu präsentieren – immerhin hatte man mit Doctor Who einen durchaus ähnlich gelagerten Charakter im Programm, dessen Einfluss auf die Gently-Romane offenkundig und wenig überraschend ist: schließlich steuerte Douglas als Drehbuchautor für die BBC Ende der 70er Jahre nicht weniger als 14 Folgen für die Abenteuer des Timelords bei und verwendete Teile des letztes Skripts, das aufgrund eines Streiks nie komplett verfilmt wurde, als Motive im ersten Auftritt des holistischen Detektivs. Wie der Doktor scheint auch Gently von Raum und Zeit entfesselt, seine durchaus selbstsichere Art wirkt auf Außenstehende oft ein wenig provozierend, und selbst Attacken von äonenalten Mumien steht er weitgehend ungerührt gegenüber. Den Kontext der theoretischen Physik und der Quantentheorie stellt Adams über zahlreiche Referenzen her, darunter das Gedankenexperiment mit Schrödingers Katze, die auch für diesen Band als untertitelgebend herhalten darf.

Insgesamt liefert IDW-Autor (und mittlerweile Chefredakteur) Chris Ryall ein flottes, der Vorlage angemessen verdrehtes und schmissiges Erzähldickicht, in dem sich zahlreiche Rückgriffe auf die Romane (so etwa kommt Kate Schechters Vergangenheit als Freundin des Donnergotts wiederholt zur Sprache) und Querverweise auf andere Genres (Horror, Science Fiction, Kriminalromane – hier findet sich alles, was das Herz begehrt) ebenso finden wie ein direkter Fingerzeig auf den Bruder im Geiste: von einem anderen Ermittler, so Dirk, habe er gelernt, dass es sich mit einem Companion doch ein wenig besser durch die Zeit reisen lasse. Zeichnerisch gestalten Tony Akins und Ilias Kyriazis das im leicht stilisierten Modus, der den gängigen Superhelden-Style gerne ein wenig parodiert (etwa im muskelstrotzenden Neferhotep), wobei Dirks aufsehenerregende Haarpracht fast als eigene Person durchgehen könnte. Dass er nicht genauso aussehe wie sein Comicvorbild, das bedauert Sam Barnett im Vorwort ein wenig, der in der neuesten Fernseh-Inkarnation (zu sehen bei einschlägigen Streaming-Anbietern) den Detektiv gibt, an dessen Seite dieses Mal Elijah Wood ermittelt (siehe Cover). Als Anhang gibt es noch eine schöne Cover-Galerie, die jeweils Szenerien in Stile einer Crime Novel, eines EC-Comics mit Mumien und anderen Ausprägungen bringt, sowie ein Interview mit Chris Ryall. Ein rundes Paket also, das alle Freunde holistischer Ermittlungsarbeit erfreuen sollte. Auch wenn die Antwort dabei nicht immer 42 lautet. (hb)

Dirk Gentlys holistische Detektei, Band 1: Schrödingers Katzenkiller
Text: Chris Ryall
Bilder: Tony Akins, Ilias Kyriazis
128 Seiten in Farbe, Softcover
Panini Comics
16,99 Euro

ISBN: 978-3-74160-444-7

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