
Peter Parker lebt in New York, ist 35 Jahre alt, verheiratet und hat zwei Kinder – May und Richard. Seine Frau Mary Jane arbeitet selbstständig als PR-Beraterin, er selbst ist Fotograf beim Daily Bugle, einer Zeitung, die von Jonah Jameson und dessen Kumpel Ben Parker geleitet wird. Ben ist gleichzeitig Peters Onkel. Alles passt soweit, bis der Bugle von einem gewissen Wilson Fisk gekapert wird, der fortan die Inhalte des Blattes bestimmen will. Zuviel für Jonah und Ben, beide kündigen und wollen trotz ihres Alters ein neues, unabhängiges Nachrichtenmedium gründen. Bei einer Gedenkfeier – eine Katastrophe, ausgelöst durch Tony Stark, forderte viele Opfer, darunter auch Tante May – trifft Peter erstmals auf Harry Osborn, den Erben von Oscorp. Dann erhält Peter virtuellen Besuch: Tony Stark in Iron Man Rüstung spricht aus der Zukunft zu ihm und bietet ihm eine einmalige Gelegenheit…
Ab 2001 auch bei Panini erschienen – damals noch in Heftform – brachte „Der ultimative Spider-Man“ frischen Wind in die Figur. Autor Brian Michael Bendis und Zeichner Mark Bagley veränderten in einem erstaunlich langen Run diverse Stellschrauben der bis dahin fest zementierten Origin und Geschichte des Wandkrabblers und sorgten somit bei altgedienten Fans, wie auch bei Neulesern für Entzücken. Bald folgten auch andere Marvel-Charaktere in das neue erfolgreiche „Ultimative Universum“, wie die Fantastischen Vier oder die Avengers, die dort die „Ultimativen“ genannt wurden und natürlich die X-Men, gestaltet von weiteren Größen wie Mark Millar, Bryan Hitch, den Kubert-Brüdern oder Warren Ellis. Als Teil des Multiversums wurde die Alternativwelt der ultimativen Helden (Erde-1610 genannt) später in einem der Groß-Events, die regelmäßig das Marvel-Universum belästigen, zerstört.

Nun greift Autor Jonathan Hickman (der bereits im „alten“ Ultimativen Universum mitmischte), die Idee wieder auf. Nur wesentlich radikaler als damals Bendis und Bagley. Kein Drehen an Stellschrauben mehr. Vielmehr stülpt er die Spider-Man Legende einmal um und sortiert die Figuren und deren Geschichten völlig neu, modernisiert sie, wobei er keinerlei Tabus scheut. Hier lebt Onkel Ben und Tante May ist tot. Norman Osborn ebenfalls. Hier ist der Grüne Kobold ein Guter. Hier gibt es sonst keine Superhelden. Hier ist Peter kein schwächlicher Teenager mehr, als ihn die Spinne beißt. Auch mit anderen Motiven und Konflikten, mit denen sich der ursprüngliche Peter Parker Jahrzehnte lang auseinandersetzte, werden hier kurz abgehandelt – Stichwort Geheimidentität. So erfährt seine Familie schon nach wenigen Ausgaben von seinem Doppelleben als Superheld, auch die Identität des Kobolds wird sofort enthüllt.
Wer sind dann die Bösen, wenn selbst der Kobold ein Guter ist? Da ist einmal der Unternehmer Wilson Fisk, hier ebenso korpulent, dem man kriminelle Machenschaften nachsagt. Der aber auch nur Befehle eines Unbekannten (oder einer unbekannten Organisation) befolgt. Dann der Shocker, der erste Superschurke, dem Peter begegnet, der seine Kräfte, bzw. seine Ausrüstung aber auch nur zufällig bekam. Und was hat das Tech-Erbe von Stark mit der Geschichte zu tun? Kurz: Da kommt noch einiges auf uns zu. Wie Bendis in der „alten“ Serie setzt auch Jonathan Hickman viel auf Dialoge und lässt das erste Kapitel fast ohne Superhelden und –schurken stattfinden. Highlights sind die Gespräche innerhalb Peters Familie, zwischen Jonah und Ben (wunderbar, auch visuell, die Szene im türkischen Bad, die über vier Seiten geht) oder das Essen der Parkers mit Harry und Gwen.

Natürlich wirft Hickman nicht alle Spider-Man Regularien über Bord. So gilt auch hier der von Stan Lee erdachte Leitspruch, dass aus großer Kraft große Verantwortung folgt. Nur kommt dieser aus einer ganz anderen, unerwarteten Richtung. Zeichner Marco Checchetto beeindruckt mit seinem feinen Strich, der die Figuren äußerst realistisch und ausdrucksstark aussehen lässt (er zeichnet die Kapitel 1-3 und 6), wohingegen die Kapitel, die von seinem italienischen Kollegen David Messina stammen, etwas abfallen. Messina zeichnet kräftiger, plakativer und runder (Kapitel 4 und 5). Ein gelungener, moderner „Ultimativer“ Auftakt bzw. Neustart mit vielen Überraschungen, der auch wahlweise in gleich zwei alternativen und limitierten Cover-Editionen erhältlich ist (Variant A oben und Variant B links). Der Band beinhaltet die ersten sechs Hefte der Reihe. Ein Termin für Band 2 steht noch nicht fest. (bw)
Ultimate Spider-Man, Band 1: Familienvater
Text: Jonathan Hickman
Bilder: Marco Checchetto, David Messina, Matthew Wilson (Farben)
160 Seiten in Farbe, Softcover
Panini Comics
19 Euro
ISBN: 978-3-7416-3875-6