Carol Danvers, Monica Rambeau und Kamala Khan – drei Damen, die Superheldinnen wurden, wobei alle den Namen Marvel tragen oder trugen. Aktuell agieren die drei gemeinsam als „The Marvels“ im gleichnamigen 33. Film des Marvel Cinematic Universe – Grund genug also für Panini, im Rahmen der beliebten Anthologie-Reihe einen Band zusammenzustellen, eine Art Best-Of mit diversen historischen und aktuellen Storys von 1968 bis 2021, um die wechselhafte Geschichte der drei Charaktere zu beleuchten. Und da wird es gleich kompliziert. Denn Comics und Filme unterscheiden sich hier teilweise signifikant, was schon beim Debut der Figur beginnt. In den Marvel-Comics – die Geschichte mit Captain Marvel und DC lassen wir jetzt mal außen vor – tauchte der Name erstmals 1967 auf. Erster Träger war der Kree Mar-Vell, der als Walter Lawson getarnt auf der Erde lebte. Die Origin, ursprünglich aus Marvel Super Heroes Nr. 12 ist bei uns nachzulesen in der schon vor einiger Zeit erschienenen Captain Marvel Anthologie.
Die neue Marvels Anthologie startet nun mit Captain Marvel Nr. 1 aus dem Jahr 1968 von Roy Thomas und Gene Colan: wir treffen Mar-Vell im Kampf gegen einen Sentry. Schon damals ist Carol Danvers mit von der Partie, aber noch passiv als eine Art Jungfrau in Nöten. Im folgenden Marvel Team-Up Nr. 62 (1977) sehen wir sie als Ms. Marvel gemeinsam mit Spider-Man gegen den Super-Skrull, von dem prominenten Team Chris Claremont und John Byrne – ein routiniertes Superhelden Abenteuer gegen den üblichen vermeintlichen übermächtigen Gegner. Das Amazing Spider-Man Annual Nr. 16 von 1982 bringt erstmals Monica Rambeau als neuen Captain Marvel (Mar-Vell starb zuvor an Krebs), inkl. deren kuriose Origin auf einer Bohrinsel. Monica war Lieutenant der Hafenpolizei von New Orleans und wurde zu eine der wenigen afroamerikanische Superheldinnen, jedoch zumeist in Nebenrollen oder im Rahmen des Avengers-Ensemble.
Auch die nächsten beiden Storys drehen sich wieder um Monica Rambeau als Captain Marvel: In Avengers Nr. 279 (1987) wird sie als Anführerin der Truppe auserkoren, die hier in einer recht skurrilen Zusammensetzung agiert (wer erinnert sich noch an Dr. Druid?) und in Marvel Fanfare Nr. 42 (1989) drückt Bill Sienkiewicz als Tuscher den Zeichnungen deutlich seinen Stempel auf. Hier erleben wir eine kuriose Zeitreise in das Jahr 1784, wo Monica dem Obervampir Dracula begegnet. Interessant wird es in Captain Marvel Nr. 1 (1994), wieder mit Monica Rambeau: In dem Einzelheft (es blieb bei der einen Ausgabe) wird das Thema Rassismus frontal angegangen; mit den Sons of the Serpent als technisch modifizierter KKK und einem in seinem Design recht albernen Endgegner. Ein Heft, das im Fahrwasser der Unruhen in Los Angeles nach dem Vorfall um Rodney King erschien.
Nun folgt eine lange Pause – nämlich 20 Jahre, in denen die Zeichnungen modernen und digitaler wurden. Im sperrigen Titel „All New Marvel Now! Point One Nr. 1“ feiert Kamala Khan ihren Einstand als Ms. Marvel. Eine 16-Jährige Muslima, die private Themen und Probleme ebenso beschäftigen wie ihr Superhelden-Dasein. Eine Formel, die natürlich an die Anfangszeit von Peter Parker als Spinne erinnert und die noch immer zündet, was man an dem Erfolg und der Popularität der neuen Marvel-Figur ablesen kann. Kamala als Ms. Marvel steht in den folgenden Storys dann auch im Mittelpunkt, u.a. in diversen Team-Ups mit Captain Marvel – nun Carol Danvers – und Spider-Man. Dabei sind die Geschichten nicht immer gelungen, wie beispielsweise eine Zeitreise in eine alternative Vergangenheit.
Was zündet, ist immer wieder der unbeschwerte, spontane Humor Kamalas, eben wenn sie voller Begeisterung auf ihre Idole trifft. Die letzten Episoden in dem 320 Seiten dicken Anthologie Band sind dann jüngeren Datums: In dem Dreiteiler Marvel Team-Up Nr. 4-6 treffen Kamala und Carol auf… Mar-Vell!? Nein, nicht ganz – dennoch schließt sich hier ein Kreis zu einer Figur aus den Anfangstagen von Captain Marvel. Und abschließend wollen Carol und ihr aktueller Freund „Rhodey“ Rhodes alias War Machine wie Normalos Urlaub machen, was jedoch gehörig in Hose geht (Captain Marvel Nr. 31 von 2021). Der Band bietet einen ansehnlichen Überblick für alle, die das Thema Captain Marvel/Ms. Marvel comictechnisch vertiefen wollen. Wichtig sind dabei die einleitenden Texte, die die Storys in den jeweiligen Kontext, der manchmal auch absolut erklärungsbedürftig ist, setzen. Zur Captain Marvel Anthologie gibt es übrigens keine inhaltlichen Überschneidungen. ‘Nuff said. (bw)
The Marvels Anthologie: Durch alle Zeiten
Text & Story: Roy Thomas, Chris Claremont, Roger Stern, G. Willow Wilson,
Dan Slott, Mark Waid, Clint McElroy, u.a.
Bilder: Gene Colan, John Byrne, John Romita Jr, John Buscema, Bill
Sienkiewicz, Adrian Alphona, Giuseppe Camuncoli, Ig Guara u.a.
324 Seiten in Farbe, Hardcover
Panini Comics
35 Euro
ISBN: 978-3-7416-3385-0