Ms. Marvel, Band 1+2 (Panini)

Dezember 19, 2015

Ms. Marvel, Band 1 (Panini)

Kamala Khan, 16 Jahre alt. Schülerin aus Jersey City, westlich von Manhattan. In eigenen Worten: „Eine amerikanische Pakistanerin mit Alien-DNS und ein morphogenetischer Nerd“. Oder kurz: die neue Ms. Marvel. Mit der Nachfolgerin von Carol Danvers (die inzwischen zu Captain Marvel befördert wurde) beschreitet das Haus der Ideen einmal mehr neue Wege und präsentiert ganz zeitgemäß die erste amerikanisch-muslimische Superheldin. Bisher sind bei Panini zwei Bände erschienen, die auf Anhieb auf Platz 4 in der Liste der besten Comics des Jahres gelandet sind (ein Tagesspiegel-Ranking, in dem sich in erster Linie Graphic Novels tummeln; leider…), was auch bedeutet, dass wir es hier lt. Jury mit dem besten Superhelden-Comic des Jahres zu tun haben. Grund genug, uns die beiden Bände einmal genauer anzusehen.

Erst einmal ist Kamala ein typischer Teenager mit den üblichen Problemen, die durch ihre Religionszugehörigkeit gewissermaßen noch ‚verschärft‘ werden. Partys mit Jungs (also alle) sind per Elterndekret tabu, ihre Religion nimmt auch sonst in ihrem Alltag einen größeren Stellenwert ein, als das bei ihren nicht-muslimischen Freunden der Fall ist. Dann, mit einem Schlag ändert sich ihr Leben grundlegend: durch den Terrigen-Nebel, der New York bedeckt (dank Inhuman-König Black Bolt – siehe das große Infinity-Crossover, lange Geschichte…), ‚verwandelt‘ sich Kamala in eine Superheldin. Von null auf hundert. Sie kann ihre Gestalt und ihre Größe ändern, sich strecken und ist superstark. Da sie Fan von Carol Danvers und deren ‚Stelle‘ gerade frei ist, wird sie zur neuen Ms. Marvel. Das ganze Unterfangen besitzt zu Beginn auch einen gewissen Fan-Charakter, bis es zur ersten Schurken-Begegnung mit dem geheimnisvollen wie skurrilen Inventor kommt (die sich über beide Bände erstreckt). Und spätestens bei dem unverhofften Team-Up mit Wolverine erkennt Kamala, dass es ernst ist, sie nun endgültig in die Superhelden-Liga aufgestiegen ist und ihr Leben fortan völlig anders sein wird…

Ms. Marvel, Band 2 (Panini)Zu Beginn der Geschichte nimmt der religiöse Aspekt eine größere Rolle ein. Kamala muss sich ihren Eltern fügen, darf in ihrer Freizeit nicht alles tun, was andere Jugendliche ihres Alters treiben. Sie muss sich mit ihrem gläubigen Bruder auseinandersetzen, der sie in die Moschee zum Samstagsunterreicht des Imams scheucht. Ehre, Vertrauen und Tradition werden groß geschrieben. Andererseits ist sie ein typischer amerikanischer Teenie, der gerne mit Freunden und Freundinnen chillt, der Videogames zockt und sich für Superhelden begeistert. Später treten die religiösen Motive immer mehr in den Hintergrund zugunsten einer munter und spritzig erzählten Superhelden-Coming-of-Age-Story, wie sie weiland auch schon Peter Parker in seinen Anfangstagen durchlebte. Ein dabei nicht zu unterschätzendes Moment ist der Humor, für den zuerst v.a. Kamalas Vater sorgt und zwar in einer herrlich trockenen Art und Weise. Später übernimmt sie selbst weitestgehend den Part und verteilt freche Sprüche, wie sie auch Niederlagen einsteckt und ihre Kräfte erst noch ‚lernen‘ muss.

Autorin G. Willow Wilson, die einst selbst zum Islam konvertierte, zelebriert hier die typische Marvel Masche, die einmal mehr bestens funktioniert: Teenager hat’s nicht leicht, wird zum Superheld, hat’s dann noch schwerer, erkennt aber, dass mit großer Kraft… usw. Dazu kommt hier noch der Migrations-Hintergrund der Heldin. Das ist neu und hat für Aufsehen gesorgt, offenbar auch hierzulande. Marvel hat hier wohl den richtigen Nerv getroffen. Auch die Zeichnungen fügen sich harmonisch ins Bild einer zeitgemäßen Superhelden-Story, die auf alten, bewährten Fundamenten fußt. Adrian Alphonas arbeitet mit einem modernen, sehr feinen Strich, der leicht überhöht bisweilen in Richtung Karikatur abschweift. Dabei lohnt es sich stets, die Hintergründe und Aufschriften in den Panels zu studieren, wo sich etliche kleine Gags tummeln. Farblich bleibt man dezent, nicht knallig, was dem Vorstadt-Ambiente Jersey Citys, wo man Superhelden eher vom Hörensagen kennt, entgegen kommt.

Ob das alles nun zu Platz 4 in der Comic-des-Jahres-Hitliste berechtigt, muss jeder für sich selbst entscheiden. Fest steht: Ms. Marvel reiht sich nahtlos ein in die Riege überdurchschnittlicher Comicreihen mit teilweise überarbeiteten oder neuen Heldinnen ein, die Marvel jüngst gestartet hat: Black Widow, Elektra, Spider-Gwen, Spider-Woman, Angela (demnächst mehr über ihr Solo-Abenteuer) und auch irgendwie die Silver Surfer-Serie, in der der Stürmer aktuell mit Dawn eine taffe Partnerin gefunden zu haben scheint. (bw)

Ms. Marvel, Band 1: Meta-Morphose
Ms. Marvel, Band 2: Generation Fragezeichen
Text: G. Willow Wilson
Bilder: Adrian Alphona, Jacob Wyatt
124 & 140 Seiten in Farbe, Softcover
Panini Comics
16,99 Euro

ISBN: 978-3-95798-338-1 (Band 1)
ISBN: 978-3-95798-425-8 (Band 2)

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