van Gogh (Insektenhaus)

November 4, 2021

Comics mit oder über Vincent van Gogh sind gar nicht mal so selten. In der Vergangenheit haben sich bereits namhafte Zeichner/Autoren wie Gradimir Smudja („Vincent & van Gogh“), Jiro Taniguchi („Die Wächter des Louvre“), Manu Larcenet („Die wundersamen Abenteuer von Vincent van Gogh“) oder Dick Matena („Gauguin und Van Gogh – Im Taumel der Farben“) ganz oder teilweise des weltberühmten Niederländischen Malers angenommen. Aktuell widmet sich der Kroate Danijel Žeželj der Figur und folgt dabei einem ganz anderen und gleichzeitig ungewöhnlichen Ansatz als alle seine „Vorgänger“. In 15 Vignetten schildert er aus dem Leben van Goghs. Diese beginnen jeweils mit einer kurzen episodischen Geschichte, die Schwarz-Weiß (!) und stets ohne Worte auskommt und die nicht selten Interpretations-Spielraum lässt, und enden stets mit einem Brief, der sich mal mehr, mal weniger direkt auf die Vorseiten bezieht und den van Gogh schrieb, meist an seinen Bruder Theo.

Jetzt führte der 1853 geborene Vincent van Gogh ein bewegtes, wie auch unstetes Leben. Ehe er sich gänzlich der Malerei widmete, versuchte er sich als Verkäufer in einer Kunsthandlung in London (1873), als Lehrer in der englischen Hafenstadt Ramsgate (1876) oder als Prediger, bzw. Missionar in einem ärmlichen Kohlerevier in Belgien (1879). Ab 1880 wurde er Vollzeit-Maler und wollte damit sein Auskommen finanzieren, immer unterstützt, oft auch finanziell, durch seinen jüngeren Bruder Theo, mit dem er zeitweise auch zusammenwohnte. Zeit seines Lebens verkaufte Vincent wenige Bilder, meist durch seinen Bruder. Bald hatte Vincent mit seinen psychischen Zustand zu kämpfen. Er schnitt sich einen Teil seines linken Ohrs ab und kam in eine Nervenheilanstalt. Im Juli 1890 schoss er sich aus bis heute strittigen Gründen in die Brust und starb an den Folgen. Nur ein halbes Jahr später folgte sein Bruder Theo ihm nach. Die zahllosen Briefe, die Vincent seinem Bruder schrieb, geben immer wieder einen Einblick in seine Gefühlswelt.

van Gogh in Ramsgate, 1876

Als interessierter van Gogh-Laie braucht man keine Scheu vor dem überformatigen Band zu haben. Zu jeder Episode gibt es im Anhang Hintergrundinformationen, welche die jeweilige Einordnung und die Deutung der Zeichnungen, bzw. der Handlung und der im zeitlichen Kontext verwendeten Briefe erleichtern. Die Episoden setzen im Juli 1873 ein und enden mit seinem Tod im Juli 1890 im französischen Auvers-sur-Oise. Es handelt sich dabei um keine Biographie. Die Person des Vincent van Gogh bleibt dabei stets vage, gar abstrakt, nicht fassbar. Sein Seelenleben, seine inneren Kämpfe und damit auch Teile seines Lebensweges werden bildlich geschildert (und drücken sich in Worten nur durch die abgedruckten Briefe aus). So 1886 in Paris, als er dort in der Wohnung seines Bruders lebt, oft mit ihm hadert und in eine vermeintlich endlose Leere fällt. Oder als er nach einem Streit mit Gaugin sich sein Ohr abschneidet, in einem Raum sitzend, der sich perspektivisch immer weiter verzerrt, schräg und schief wird, wie in expressionistischen Deutschen Stummfilmen.

Genau, der Zeichenstil. Der macht zweifellos den Reiz dieses Bandes aus. Der ist extrem ausdrucksstark (unterstützt durch das große Format), bizarr bis abstrakt und expressionistisch. Es gibt keine Grautöne, nur ein hartes Schwarz, das immer wieder mit weißem Puder gesprenkelt ist. Und immer wieder lassen sich durch den guten Druck und das dicke Papier die gezeichneten Schwarz-Nuancen erkennen. Damit verbreiten die Seiten oft eine Düsternis und spiegeln damit auch den Geisteszustand des Protagonisten (s.o.). Dazu geht Žeželj extrem abwechslungsreich seine Episoden an: so zeigt er beispielweise ein Zimmer jeweils als ganzseitiges Panel aus stets der gleichen Perspektive. Der Blickwinkel bleibt starr. Wir betrachten das Geschehen, sehen van Gogh, der einmal mehr mit sich ringt – beinahe im wahrsten Sinne des Wortes. Eine andere Episode beginnt mit einer Seite fast komplett in schwarz. In den Folgepanels scheint das Schwarz nahezu zu explodieren und formt sich schließlich zu einem Krähenschwarm. Ein Band, der in solchen faszinierenden Bildern und Sequenzen seine volle Wucht entfaltet. (bw)

van Gogh – Fragmente eines Lebens in Bildern
Story & Text: Danijel Žeželj, Vincent van Gogh
Bilder: Danijel Žeželj
152 Seiten in Schwarz-Weiß, Hardcover
Insektenhaus Verlag
24,95 Euro

ISBN: 978-3-948800-22-2

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