Low, Band 5 (Splitter)

Juni 28, 2021

Auftauchen und aufatmen: so leicht gestaltet sich das leider nicht für Stel Caine, die auf der Suche nach heimkehrenden Sonden die Flucht aus der Untersee-Kuppel Salus an die von der aufgeblähten Sonne verbrannten Erdoberfläche angetreten hat. Nach allerlei Unbill, nicht zuletzt dem (vermeintlichen) Verlust von Mann und Kind, ist sie tatsächlich oben angekommen und gerät prompt in Gefangenschaft. Die verseuchte Erde ist nämlich alles andere als menschenleer: eine bleiche Rasse, die sich Neo Sapiens nennt, hat sich an die unwirtlichen Lebensverhältnisse angepasst. Stel und ihr Begleiter Zem landen im örtlichen Menschenzoo und erfahren durchaus Entsetzliches. Jae Dakis, die Chefin des so genannten „Elite-Wissenschaftsprojekts“, eröffnet ihr, dass man ihren Geist auf Hinweise nach den letzten beiden verbleibenden Tiefsee-Kuppeln Salus und Voldin durchsucht hat – und nicht etwa, um die in der Tiefe ums Überleben Ringenden zu retten.

Die „Verbrannte Garde“ um den Helmkönig macht sich vielmehr auf, die Kuppeln zu zerstören, weil die ins Meer verschwundene Menschheit nämlich vor Jahren die auf der Oberfläche zurückbleibenden Konstrukteure schnöde ihrem Schicksal überließ. An diesem Genozid möchte Jae nicht beteiligt sein und befreit Sel, die ein Kind von Zem erwartet und nach wie vor ihrem ungebrochenen Optimismus frönt, der nach ihrer philosophischen Überzeugung die Realität formt. Damit scheint sie richtig zu liegen: immerhin haben die Bewohner von Salus um die Anführer Marik und Tajo mitsamt der kompletten Kuppel als letzte Rettung den Aufstieg nach oben angetreten. Dagegen hat allerdings der Zar der zweiten verbliebenen Kuppel Voldin gehörig etwas einzuwenden und greift die aus seiner Sicht ketzerischen Revoluzzer an, aber dennoch durchbricht die Kuppel die Oberfläche und erscheint mitten vor den Ikarus-Docks, in denen sich die „Verbrannte Garde“ gerade zum Angriff bereit macht. Und dann taucht zum Entsetzen von Stel auch noch die totgeglaubte Della auf, die ihre Mutter mit schwersten Vorwürfen überzieht…

Am Ende seiner ausschweifenden, finster philosophischen Tiefsee-Dystopie führt Rick Remender nochmals alle Handlungsfäden zusammen: wir erfahren endlich, was aus all den Sonden wurde, die man auf der Suche nach einem bewohnbaren Planeten ins All schickte und die angeblich nie zurückkehrten; Stel wird in Form ihrer mittlerweile stark traumatisierten oder auch nur noch als künstliche Intelligenz lebenden Kinder mit ihrem Verhalten konfrontiert; ihr Mann Caine erscheint gar nicht mehr als der strahlende Held, als den man ihn gerne sah. Den postapokalyptischen Touch weitet Remender in der Rasse der Neo Sapiens aus, die sich weißhäutig, mit großen dunklen Augen unter einer „Schwarzen Kuppel“ vor den gnadenlosen Strahlen verstecken, die die monströse Sonne auf die verbrannte Erde sendet. Nie hat man den fliehenden Kuppelbewohnern vergessen, dass sie ihre Techniker auf der Oberfläche zurückließen – der Mensch zerstört erst seine Umwelt und geht dann in einen gnadenlosen Verdrängungskampf über, in dem atavistische Strukturen das Recht des Stärkeren und Reicheren untermauern: so kennen wir dieses Krieg der Welten/Planet der Affen-Motiv aus den vorigen Episoden der Reihe.

Auch die philosophische Seite packt Remender wieder aus: nach rasanter Action tritt Stels Weltanschauung der Quantumologie wieder in den Mittelpunkt, der zufolge positives Denken die Welt nicht nur formt, sondern sogar erzeugt – was die entfremdeten Töchter allerdings durchaus anders zu sehen pflegen. Auch optisch liefert dieses Grande Furioso wieder einen Leckerbissen, mit leicht stilisierten, in entscheidenden Momenten (das Auftauchen der Kuppel!) auch doppelseitigen Panels, die expressiv mit Farben und Bildkomposition arbeiten. Nach sage und schreibe sechs Jahren (den ersten Band würdigten wir bereits 2015 und Band 4 erschien vor über zweieinhalb Jahren) erleben wir somit den gelungenen und folgerichtigen Abschluss einer spektakulären Reihe, die eine zentrale Rolle im Schaffen von Rick Remender einnehmen dürfte. Jetzt schauen wir mal, ob er das bei „Black Science“ auch hinbekommt. (hb)

Low, Band 5: Letzte Glut
Text: Rick Remender
Bilder: Greg Tocchini
200 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
29,80 Euro

ISBN: 978-3-95839-485-8

Tags: , , , , , ,

Comments are closed.