Forscherdrang kennt keine Grenzen: Jim Robinson ist geradezu besessen von seinen Forschungen, die darauf abzielen, in der Weite des Alls die Para-Zone und dort doch hoffentlich unendliche Energiequellen zu entdecken. Und das interessiert nicht nur ihn: eines Abends suchen ihn Regierungsagenten in seiner Sternwarte in Spiral City auf und bieten ihm an, seine Arbeit fürstlich zu fördern. Sofern er verspricht, als Gegenleistung Waffen zu entwickeln, die auf Basis der unerschöpflichen Energien aus dem All die Nazi-Lumpensöhne endlich Mores lehren sollen. Gesagt, getan: Robinson stürzt sich noch mehr in seine Forschung, nähert sich seinem Ziel immer näher an – und merkt dabei gar nicht, wie sehr er seine Frau Joanie und seinen kleinen Sohn Charlie dabei vernachlässigt.
Tatsächlich gelingt ihm der Durchbruch: mit Energiestab und Handschuh entzieht er der Para-Zone ein Quäntchen Energie und wird dadurch zum nahezu allmächtigen Helden. Als Doctor Star schließt er sich der Liberty Squad an, die unter Führung von Abe Slam in den Zweiten Weltkrieg eingreift und ihn für die USA entscheidet. Aber erst 1951 kommt es schließlich zum großen Wendepunkt in Jims Leben: aus dem All kommt Antwort auf die Signale, die Star seit Jahren per Sender vom Mond aus sendet. Berauscht macht er sich auf den Weg zu den Sternen und weist die Bitte seines Sohnes, ihn doch mitzunehmen, brüsk zurück – er werde doch bald wieder zurück sein, und ein Kind habe bei dieser Mission wirklich nichts verloren. In der Para-Zone macht er Bekanntschaft mit friedliebenden Wesen, für die er ein gewaltiges Monster beseitigt und sich dann flugs wieder auf den Weg nach Hause macht.
Die schreckliche Wahrheit dämmert ihm schon auf dem Rückweg: seine Reise hat ihn so nahe an ein Schwarzes Loch geführt, dass die Zeit verzerrt wurde – was für ihn nur wenige Stunden waren, dauerte auf der Erde 18 Jahre. Erschüttert tritt er seiner völlig verbitterten, dem Alkohol verfallenen Frau entgegen, für die er jahrelang verschwunden war. Sein Sohn hat sich freiwillig zum Krieg in Vietnam gemeldet, wo er seinen Vater wüst beschimpft und ablehnt. Desillusioniert zieht sich Robinson endgültig in seine Forschung zurück, seine Frau stirbt bald darauf. Und dann schlägt das Schicksal mit aller Wucht zu: Jim erfährt, dass sein Sohn an Krebs erkrankt ist und nicht mehr lange leben wird. In letzter Verzweiflung sucht Doktor Star Hilfe bei den Wesen im All, die er einst befreite…
Mit diesem zweiten Spin-Off aus dem Black Hammer-Universum gelingt Multitalent Jeff Lemire eine wunderbar anrührende, zutiefst traurige und nachdenkliche Hommage an die Helden des Golden Age. Wie, so die Frage, wirkt sich ein universelles Helden-Dasein, eine quasi gottgleiche Macht, auf die Personen im Umfeld des Helden aus? Viel zu spät erkennt Robinson, dass er seine Frau und seinen Sohn vollkommen von sich entfremdet hat und seine Kräfte ihm nur eine willkommene Gelegenheit zum Ausleben seines grenzenlosen Egoismus boten. Während er sich als Held im All gefällt, zieht die Kindheit seines Sohnes und das Leben seiner Frau in Windeseile an ihm vorbei, symbolisiert im Zeitparadoxon des Schwarzen Lochs.
Diese vor allem auf den letzten Seiten nur noch erschütternde Story um Verlust, Trauer und Versagen ergänzt Lemire durch schöne Repliken auf die tatsächlichen Golden Age-Recken, von der Justice-Society-Verneigung Liberty Squad über den abgetakelten Wing-Man (gemeint ist natürlich Hawkman) bis hin zu Doctor Star selbst, der eine ganze Armada von intergalaktischen Nachfolgern zeitigt, die ihm als Star Squadron nacheifern – das Green Lantern Corps lässt grüßen (wobei Lemire im Nachwort verrät, dass Doktor Star auch als Hommage an Starman-Schöpfer James Robinson zu verstehen ist).
Optisch liefert auch dieser Band wieder einen absoluten Leckerbissen: Max Fiumara erschafft ausladende, doppelseitige Panels, die wie abgeschlossene kleine Geschichten wirken, wie etwa in der Zeitraffer-Sequenz des wissenschaftlichen Durchbruchs in Robinsons Forschungen. Ergänzt durch ein kleines Interview mit Lemire und Fiumara sowie eine Skizzen-Galerie und Cover von Gastzeichnern bietet diese Ausgabe einen mehr als würdigen Beitrag zum Black Hammer-Universum – zweifelsohne die Episode, die am meisten anrührt. Die vorliegende Ausgabe versammelt die vier US-Hefte „Doctor Star and the Kingdom of Lost Tomorrows“ – ein Titel, der die düstere Grundstimmung bestens trifft. (hb)
Black Hammer: Doctor Star und das Reich der verlorenen Hoffnung
Text: Jeff Lemire
Bilder: Max Fiumara, Dave Stewart (Farben)
128 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
19,80 Euro
ISBN: 978-3-96219-039-2