Low, Band 4 (Splitter)

Dezember 6, 2018

Eigentlich müsste das Motto mittlerweile heißen: Lower and Lower, denn im Tiefsee-Endzeit-Drama um eine Menschheit, die von der expandierenden Sonne auf den Meeresgrund geflohen ist, wird die Lage immer düsterer. Marik Caine – Sohn der notorischen Optimistin Sel Caine, die an die Oberfläche gereist ist, um dort eine uralte Sonde auszuwerten, die eventuell Hinweise auf eine rettende neue Welt bergen könnte – steht in der Arena im Todeskampf, zusammen mit einer bunten Truppe, darunter der Fremdling Io und Zem. Dabei zieht Marik den Kürzeren, aber Io, der sich als künstliche Intelligenz herausstellt, gelingt tatsächlich die Flucht. Zu Hause, in den Überresten der Kuppel Salus, hat Sels Tochter Tajo derweil ganz andere Probleme. In der verlassenen Wohnung, die die Familie Caine einst bewohnte, sieht sie sich mit der Mer konfrontiert, die mit Sel die Oberfläche erreicht hat und ihr die traurige Mitteilung bringt, dass ihre Mutter tot sei.

Fast noch schlimmer: Mer hat auch Lena gerettet, die Tochter des wüsten Piraten Roln, der Vater Caine auf dem Gewissen hat. Vollkommen entsetzt macht sich Tajo auf die Spur von Lena und findet in deren Unterschlupf eindeutige Hinweise darauf, dass die durchgeknallte Trulla eine Bombe gebaut hat. Als sie der Sache weiter nachgehen will, tritt plötzlich Io auf den Plan, der in Mariks letzten Momenten dessen Bewusstsein in seine Schaltkreise geladen hat, wodurch der tote Bruder zumindest teilweise wieder präsent ist. Gemeinsam macht man sich auf nach Roachtown, wo todeslüsterne Salusier sich reihenweise um die Ecke bringen, weil sie das drohende Unheil nicht mehr ertragen. Dort treiben sie tatsächlich die wüste Lena auf, die sich in allerlei endzeitliche Vergnügungen stürzt, bevor sie von Tajo zur Strecke gebracht wird. Die kann allerdings nicht mehr verhindern, dass die Bombe tatsächlich hochgeht – und so scheint das Schicksal von Salus besiegelt, da die Luftfilter fortan im Eimer sind und die verschmutzte Atmosphäre bestenfalls noch für drei Tage reicht…

Von Dystopie, Familiendrama und erkenntnistheoretischem Traktat (wir formen die Realität durch unsere innere Einstellung, so das Credo der seligen Sel) dreht Rick Remender das Rad in dieser Serie immer weiter in Richtung antiutopischer Action: herrscht in den anfänglichen Arena-Sequenzen noch ein starker brutal-atavistischer Zug, gerät die Hatz auf die sich im Untergang wohlig wälzende Lena zur Blade Runner-Hommage, komplett mit fast schon elegischen Szenen von Flucht und Verfolgung. Nebenbei entfacht Remender noch ein Szenario einer ausbeuterischen Oberschicht, die in Form des dekadenten Senats (ganz wie im alten Schlachtross „Kampfstern Galactica“, wo sich inmitten des Flüchtlingstrosses einige reiche Säcke ein schönes Leben machen) hinter verschlossenen Türen saubere Luft, ausreichend Nahrung und willige Weiber genießt, während die Volksmasse langsam vor sich hin siecht.

Dass diese Gemengelage zum explosiven Aufstand führt, der von Tajo willentlich herbeigeführt wird, nachdem der Senat seine ganze Gleichgültigkeit und Egomanie unter Beweis stellt, bringt einen revoluzzerischen Touch, der sich gegen Ende des Bandes sogar in einem durchaus unerwarteten Twist entlädt. Optisch wie immer explosiv, knallig, bunt, expressiv gestaltet von Greg Tocchini, schlittert diese Serie immer neuen Sinnverwirrungen entgegen, die inhaltlich nicht ganz anspruchslos, aber jederzeit schmissig daherkommen. Der vorliegende Band enthält mit einem reichhaltigen Cover- und Skizzenanhang versehen die Originalhefte 16-19, die gesammelt schon als „Outer Aspects of Inner Attitudes“ herauskamen und hier nun auch von Splitter vorgelegt werden. (hb)

Low, Band 4: Äußere Aspekte der inneren Einstellung
Text: Rick Remender
Bilder: Greg Tocchini
128 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
22,80 Euro

ISBN: 978-3-95839-484-1

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