Der Kampf um die Welt (Carlsen)

Dezember 3, 2018

Tief in Asien rumort es. Das „Gelbe Reich“ begehrt auf. Sein Kaiser strebt nichts Geringeres als die Weltherrschaft an und startet dazu einen beispiellosen Blitzkrieg, in dem er die Hauptstädte und damit auch die Länder der Welt erobert. Nacheinander fallen so Metropolen wie Paris und Moskau, den modernen Waffen und den Fallschirmjägern der „Gelben“ ist nichts entgegenzusetzen. Auch in Großbritannien bereitet man sich auf die Invasion vor. Hastig wird die Basis Scaw-Fell evakuiert. Dort arbeitet Professor Mortimer an dem „Tigerhai“, einem revolutionären Flugzeugtyp, dessen Pläne auf keinen Fall dem Feind in die Hände fallen dürfen. Gemeinsam mit Captain Blake tritt er eine waghalsige Flucht an, deren Ziel eine britische Geheimbasis unter der Straße von Hormus ist. Verfolgt werden die beiden von Colonel Olrik, Vertrauter des gelben Usurpators und Befehlshaber der Invasionsarmee. Olrik will die Pläne des Tigerhais und dazu ist ihm jedes Mittel recht. Ein episches Katz- und Maus-Spiel beginnt, bei dem Blake und Mortimer immer wieder entkommen, bis der Professor dann doch in die Fänge Olriks gerät…

„Der Kampf um die Welt“ ist das erste Abenteuer mit den klassischen franko-belgischen Comichelden Blake und Mortimer aus der Feder des ausgebildeten Opernsängers Edgar Pierre Jacobs, der 1904 in Brüssel zur Welt kam. Der Erstabdruck erfolgte im gerade gestarteten Tintin-Magazin zwischen 1946 und 1949, also unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg. Schon auf den ersten Seiten entfacht Jacobs einen durch Blitzkrieg herbeigeführten Weltenbrand, der daher den damaligen Lesern in einer nicht minder erschreckenden, realistischen Variante nur allzu gut im Gedächtnis war. Nur sind die Aggressoren diesmal keine Nazis, sondern die nicht näher benannten „Gelben“ aus Tibet (das 1946 noch nicht von China besetzt war). Dort strebt ein wahnwitziger Kaiser nach nicht weniger als der Weltherrschaft und bedient sich dabei auch futuristischer Waffen – u.a. Fernlenkraketen, Riesenpanzer und Nurflügler, was einmal mehr an die (geplanten) Wunderwaffen der Nazis erinnert, nur in Richtung Science Fiction überhöht, überdimensioniert und damit noch bedrohlicher.

Im Gegensatz zu Hergés „Tintin“ (Jacobs arbeitet auch als Assistent des „Tim und Struppi“ Schöpfers) wird hier, in diesem Prototyp des franko-belgischen Abenteuer-Comics, nicht nur verraten, gerettet und gekämpft. Es wird auch gemordet und gestorben. Die Serie ist erwachsener und ernster. Kein Slapstick, keine lustigen Sidekicks, hier geht es ernst zu, spannend, actionreich und atemlos. Der erste Teil der Geschichte besteht praktisch nur aus der Flucht von Blake und Mortimer vor Olrik, jenem Bösewicht, der im weiteren Serienverlauf ständiger und beständiger Antagonist des Heldenduos werden sollte. Immer wieder gelingt es den beiden, dem allgegenwärtigen Machtapparat der Gelben zu entkommen. Olrik hat immer wieder das Nachsehen. Die (mal unverhofften, mal cleveren) Fluchtepisoden der beiden Briten sind voller Dramatik, aber ehe das ungleiche Katz-und Maus Spiel beginnt für den Leser ermüdend zu werden, kann Olrik Mortimer Dingfest machen, wenn auch ohne die Pläne des Tigerhais.

Autor und Zeichner Edgar P. Jacobs

Teil 2 setzt dann drei Monate später ein. Inzwischen wird Mortimer in Karatschi festgehalten, Olrik will ihm per Folter die Pläne entlocken. Doch der Widerstand schläft nicht. In der unterirdischen und unterseeischen Geheimbasis bereitet man sich auf den Gegenschlag vor – und auf die Befreiung Mortimers, denn der Tigerhai muss unbedingt in großen Stückzahlen gebaut werden, um die Welt befreien zu können. Hier treffen wir auf weitere futuristische Elemente. Ein unterseeischer U-Boot Bunker, gigantische Kavernen, in denen Züge fahren erinnern an die beeindruckenden Kulissen kommender James Bond-Filme. Auch die Jagd nach den Plänen für eine Superwaffe mag vielen bekannt vorkommen. Doch anders als beim Todesstern sind es hier die Bösen, die bei den Rebellen nach den Plänen für eine mächtige, kriegsentscheidende Überwaffe suchen. Dabei sorgt Jacobs immer wieder für persönliche Begegnungen mit Olrik, der erfrischender weise nicht im Hintergrund bleibt, sondern stets die Konfrontation mit seinen britischen Gegnern sucht. Das Finale, als die Gelben den Standort der britischen Geheimbasis entdecken und zum Angriff blasen, ist spannend inszeniert und beeindruckt in seiner Intensität auch heute noch.

Der Band ist Auftakt der „Blake und Mortimer Bibliothek“, in der alle Abenteuer aus der Feder von Edgar P. Jacobs als Gesamtausgabe zum Abdruck kommen – vielleicht auch die seiner Nachfolger (u.a. André Juillard), wer weiß (vgl. die Spirou Gesamtausgabe, in der nun auch die Alben von Jean-Claude Fournier erscheinen). In einem Nachwort klärt Lutz Göllner über die rassistischen Stereotypen des Bandes und deren historischen Kontext auf. Der redaktionelle Teil enthält neben Infos zu Autor und Werk (u.a. zeichnete Jacobs für kurze Zeit „Flash Gordon“, als während des Krieges die Vorlagen aus den USA nicht mehr verfügbar waren; für mehr Infos zur Person empfehlen wir die Lektüre des ebenfalls bei Carlsen erschienenen Comic-Band „Der Fall E.P. Jacobs“) auch alle Titelbilder zu „Der Kampf um die Welt“ aus dem Tintin-Magazin. Die nächste Ausgabe mit dem Zweiteiler „Das Geheimnis der großen Pyramide“ folgt im Mai 2019. (bw)

Die Blake-und-Mortimer-Bibliothek: Der Kampf um die Welt
Text & Bilder: Edgar P. Jacobs
184 Seiten in Farbe, Hardcover
Carlsen Verlag
30 Euro

ISBN: 978-3-551-02874-7

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