Androiden, Band 2 (Splitter)

April 2, 2018

Uralter Traum der Menschheit ist es, die Sterne zu besiedeln. Ein paar Wagemutige machen sich im Jahr 2426 auf diesen Weg: an Bord des gewaltigen Forschungsschiffs ISS Oxygen brechen sie in Richtung entfernter Galaxien auf. Um die schier endlose Reisezeit erträglich zu machen, greift man zu vermeintlich klugen Maßnahmen: die Mehrheit der Reisenden ruht jeweils im Kälteschlaf und wird nach einigen Dekaden geweckt, um aktiv einige Jahre Dienst an Bord zu tun. Außerdem sind erstmals in der Geschichte auch Kinder an Bord, die den sozialen Zusammenhalt sichern sollen. Als moderne Form der Kinderbetreuung stehen hochentwickelte Androiden bereit – Androiden wie AC7+, die mit einem unendlichen Fundus an Geschichten die heranwachsenden Sternfahrer unterhalten, darunter sogar das erste im All geborene Baby, das man nach einer von AC7+s Erzählungen Odysseus nennt. Doch nach einigen Jahrzehnten kommt es zur Katastrophe: die ISS Oxygen gerät in einen Meteoritenhagel und wird schwer beschädigt. Die meisten Passagiere sterben in ihren Schlafkapseln oder werden ins All gerissen. Die Überlebenden sehen nur einen Ausweg: sie treten mit dem havarierten Schiff die Heimreise an.

Die allerdings dauert, nachdem nur noch ein Bruchteil der Geschwindigkeit erreicht wird, nahezu 1000 Jahre, was die Lebensspanne selbst der jüngsten Reisenden weit übersteigt. Der kleine Odysseus begibt sich dennoch in die Kühlkammer, nimmt AC7+ aber noch das Versprechen ab, ihn alle 10 Jahre zu wecken, damit er zumindest sein Erwachsenwerden erlebt. Nachdem er allerdings an die Gesetze der Robotik gebunden ist, deren oberstes Gebot der Schutz menschlichen Lebens ist, bricht AC7+ sein Wort und weckt den einzigen Überlebenden der Expedition erst, als nach die Erde tatsächlich in Sicht ist. Gemeinsam mit dem Schiffscomputer Isabella erkundet AC7+ die einstige Heimat und muss feststellen, dass die Menschheit zu einer bedrohten Art degeneriert ist: eine gewaltige Seuche hat vor Jahrhunderten nahezu alle Erdenbewohner ausgelöscht und nur einige Kinder verschont. Ohne jede Ausbildung sind diese Überlebenden zu einer Art Urmenschen verkommen, die in den Ruinen der alten Gesellschaft in Stämmen wohnen und sich teilweise gegenseitig bekriegen. Beherrscht wird diese schöne neue Welt von den früheren Dienern, den Androiden, die als Androgötter verehrt werden und Opfer verlangen. Als man auch AC7+ einem Kampfroboter als Opfer darbringen will, greift der greisenhafte Odysseus mit einer List ein, die seinem Namensgeber würdig wäre…

Nächster Band, nächstes Autoren-Zeichner-Gespann, ganz wie wir das schon von der „Meister der Inquisition“-Reihe kennen: nach der Philip K. Dick-Variante zum Thema legen nun Olivier Peru (u.a. Orakel, Zombies, Nosferatu) und Geyser ihre abgeschlossene Erzählung rund um das Motiv der künstlichen Intelligenz vor. Dieses Mal geht es nicht um Fragen der Roboter-Identität oder des Menschseins, sondern vielmehr um tiefe moralische Implikationen der drei Gesetze der Robotik, die SF-Autorität Isaac Asimov nicht zuletzt in seinen Robot-Krimis „The Caves Of Steel“ und „The Naked Sun“ formulierte. Mit der rein logisch vorgehenden Isabella – einer Mischung aus „Mutter“ aus Alien und Lt. Commander Data – liefert sich AC7+ so manche Diskussion, ob die drei Gesetze auf die neue Menschheit denn überhaupt angewendet werden könnten – immerhin hat man es mehr mit Kindern als mit rationalen erwachsenen Menschen zu tun.

Gleichzeitig muss sich der Androide von Odysseus mit der unbequemen Wahrheit konfrontieren lassen, dass er sich zwar an die erste Direktive gehalten, ihm damit aber sein Leben geraubt hat – und dies nur, um ihn als uralten Mann auf einen Planeten zu bringen, den er nie gesehen hat. Diese komplexen Aspekte von Moral und Verantwortung, die vor allem die erste Hälfte des Bandes dominieren, sind deutlich faszinierender als die Handlungsstränge auf der Erde, die in ihrer Dystopie einer degenerierten, von Maschinen beherrschten Menschheit in einer zerfallenen Zivilisation ein wenig wie „Terminator“ und „Planet der Affen“ trifft „Zeitmaschine“ wirken. Dennoch nicht zuletzt durch die zutiefst ironischen Anklänge an Homer und seinen sprichwörtlich listig-glückhaften Helden ein gelungener Beitrag zum Robotik-Quartett, das mit zwei weiteren Bänden im Juni und September seine Fortsetzung finden wird. (hb)

Androiden, Band 2: Glücklich wie Odysseus
Text: Olivier Peru
Bilder: GeyseR
52 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
15,80 Euro

ISBN: 978-3-95839-569-5

Tags: , , , , ,

Comments are closed.