Unpraktisch ist das schon, wenn man bzw. frau in aller Ruhe Patienten umbringen konnte, einem dann aber eine Zombie-Plage das schöne Freizeitvergnügen ruiniert. Weil es ja verständlicherweise einfach keinen Spaß macht, Leute ins Jenseits zu befördern, nur um zu erleben, wie die nach einiger Zeit in leicht zerstörter Form wiederkehren. Deshalb treibt sich Alice in den wenigen Stunden zwischen ihren Dienstschichten in den von Zombies bevölkerten Straßen herum und sucht Kontaminierte – also schon infizierte Opfer, die sich noch nicht verwandelt haben. In ihrem Refugium, einem geheimen Labor bei den Docks, will sie an diesen Versuchskaninchen nämlich herausfinden, wie zum Teufel sie diese Epidemie stoppen kann – um endlich wieder in Ruhe ihren psychopathischen Anwandlungen frönen zu können.
Einstweilen laufen im Krankenhaus die Ermittlungen durch Scotland Yard weiter, die sich nicht zuletzt gegen den notorischen Weiberhelden Jordan Barry richten, während Chef Morgan Skinner mit der Forscherin Lou Pingletown relativ offen diskutiert, dass das Virus offenbar absichtlich gezüchtet und an dem immer noch flüchtigen Patient Z getestet wurde. Dann erreicht Alice plötzlich ein Notruf, in dem sie flugs einen Glücksfall für sich entdeckt: ihre Freundin aus Kindheitstagen Amy Horton wurde von einem Zombie gebissen und fleht sie an, ihr zu helfen. Unter dem Vorwand, Amy retten zu wollen, bringt Alice sie in ihr Refugium, wo sie diverse Mittelchen an ihr testen will – natürlich in keinster Weise in der Absicht, Amy vor ihrem Schicksal zu bewahren, sondern nur, um ihr eigenen Ziele zu verfolgen und die Quelle der Seuche zu erkunden. Aber Alice hätte es eigentlich besser wissen sollen: von der ebenso gefühlskalten Amy hatte sie seinerzeit doch die Fähigkeit gelernt, Emotionen vorzutäuschen und ihre Umwelt in Sicherheit zu wiegen. Denn Amy führt ihrerseits nichts Gutes im Schilde und hat ihre alte Freundin in eine perfide Falle gelockt…
Immer diese lästigen (Un)Toten: Alice in Aktion
In Folge 3 von Jean-Luc Istins immer noch packend anderer Zombie-Saga erfahren wir erneut in Flashbacks Bruchstücke der Vergangenheit, die Alice zu dem inhumanen Monster gemacht hat, als das sie mittlerweile die Gänge des Krankenhauses durchstreift. Offenkundig war sie das Kind eines Verbrecherpärchens, das à la Bonnie und Clyde gemeinsam seine Taten verübte und den Sprössling dabei sogar im Fluchtwagen mit dabeihatte. Als ihre Eltern bei einer Verfolgungsjagd vor ihren Augen sterben, nimmt sie der Polizist Butler zu sich, der sie Jahre später auf der Straße erkennt. Das vollkommen traumatisierte Kind rettet sich in eine Welt ohne Emotionen, um mit den Bildern der Vergangenheit leben zu können und lernt von der ebenso regungslosen Amy, wie man sich durch reines Vortäuschen von menschlichen Zügen im Rahmen der sozialen Konventionen bewegt. Insofern sind die beiden kranken Schwestern direkte Abkömmlinge unseres Lieblings-Psychopathen Dexter, der ja seinerseits seine Serienmörder-Neigungen im Dienste der Polizei auslebt und seinen Opfern mit kühler Distanz begegnet.
Alices Refugium, ihr Einsammeln von Versuchsobjekten und ihr grausames Vorgehen zur Wiederherstellung der (un)natürlichen Ordnung stellen die angebliche Humanität der Gesellschaft in Frage – Alices Entwicklung ist nichts als eine extreme Reaktion auf ihr Schicksal, das sich immer mehr enthüllt. In Zivorad Radivojevics Zeichnungen mischt sich neben den gewohnt morbid-expliziten Darstellungen von massakrierten Untoten nun auch eine erotische Komponente: sowohl Alice als auch Amy erscheinen wahlweise kaum oder in engem Leder bekleidet und erscheinen dadurch beinahe wie ein S&M-Pärchen, dessen Spiele ein wenig zu weit gehen. Insofern wieder ein neuer Aspekt, der die Saga um die Psychopathin, die sich von den Zombies unangenehm gestört fühlt (das nennen wir doch mal high concept!), anreichert. Band 4 (von insgesamt sechs), „Wer ist Morgan Skinner?“, dürfte wieder mehr Licht ins Dunkel um Patient Z bringen und erscheint im März 2017. (hb)
Alice Matheson, Band 3: Rettet Amy!
Text: Jean-Luc Istin
Bilder: Zivorad Radivojevic
48 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
14,80 Euro
ISBN: 978-3-95839-302-8
