Asterix, Band 40 (Egmont)

Oktober 30, 2023
Asterix, Band 40: Die weiße Iris (Egmont Ehapa Collection)

Achtsamkeit, damit kann vor allem Obelix jede Menge anfangen. Er gibt zum Beispiel, wie er frohgemut erklärt, immer darauf Acht, dass die Römer jede Menge Backpfeifen bekommen. Aber irgendwie meint dieser dubiose Reisende namens Visusversus das Ganze wohl anders – kaum ist der freundliche Geselle mit wallendem Haar und säuselnder Stimme im kleinen gallischen Dorf aufgetaucht, geht eine Veränderung bei den Galliern vor, die Asterix so gar nicht gefällt. Positives Denken lautet plötzlich die Devise, Nachhaltigkeit, ordentliche Lieferketten und frische Ware aus der Region bei Verleihnix, ein wunderbar klingender Amboss beim Schmied Automatix, der greise Methusalix geht joggen – und Gutemine konfrontiert ihren grummeligen Mann Majestix auf einmal damit, dass er ihr wunderbares Schillern und Strahlen gar nicht wahrnimmt. Auch die römischen Legionäre können vor lauter Freundlichkeit und Sanftmut gar nicht abwarten, wieder von den Galliern vermöbelt zu werden und eine „herrliche Niederlage“ zu kassieren, und irgendwann dämmert es Asterix: irgendwas stinkt hier ganz gewaltig, und das ist nicht nur der Fisch von Verleihnix.

Damit liegt er goldrichtig, immerhin ist Visusversus von niemand anderem als Cäsar geschickt, der mit den esoterischen Schwurbeleien einen letzten Versuch unternehmen will, die Kampfkraft der Gallier zu unterwandern. Das gelingt durchaus famos, selbst ein Konzert des ja durchaus kontroversen Troubadix führt nicht wie von Asterix geplant zur üblichen Massenschlägerei, sondern zu Sympathiebekundungen – aber als Asterix den Scharlatan endgültig aus dem Dorf schmeißt, zieht der seinen letzten Trumpf: mit zuckersüßen Worten lockt er Gutemine weg aus ihrer Heimat nach Lutetia, wo ihr Bruder Homöopatix das elegante Schicki-Micki-Leben genießt, nach dem sie sich insgeheim auch sehnt. Eigentlich aber will Visusversus sein nichtsahnendes Opfer an Cäsar ausliefern, der auch auf dem Weg nach Lutetia ist. Da haben allerdings unsere Gallier ein gehöriges Wörtchen mitzureden, die in Person von Asterix, Obelix, Idefix und Majestix ebenfalls unterwegs nach Lutetia sind…

Eher düstere Ahnungen mussten einen überkommen, als im Vorfeld der Veröffentlichung des vierzigsten Asterix-Abenteuers die Rede davon war, die moderne Zeit habe nun endgültig auch bei den Galliern Einzug gehalten, man sei wohl woke und hip geworden. Umso wohlig-angenehmer dann die Überraschung, die uns Autor Fabrice Caro unter seinem Künstlernamen Fabcaro hier serviert: Asterix ist endlich wieder da. Und zwar im vollgültigen Bedeutungsumfang. Waren die vorigen Abenteuer aus der Feder von Jean-Yves Ferri (wie etwa zuletzt bei „Der Greif“ oder beim wohl gelungensten Ferri-Band „Asterix in Italien“) natürlich den Solo-Versuchen von Albert Uderzo haushoch überlegen, blieben sie dennoch im sympathiebedingten Lächeln stecken – man wollte das gut finden, es war immer ordentlich, aber der Geist des übermächtigen Goscinny schwebte zu deutlich sichtbar über allem.

Fabcaro gelingt hier nun in der Tat das Kunststück, soweit dies denn überhaupt möglich ist, an die unnachahmlichen Qualitäten Goscinnys heranzureichen: Asterix ist endlich wieder subversiv, zeitkritisch, allzumenschlich – und unglaublich lustig. Denn anstelle dem Woke-Trend nachzulaufen, zeigt Fabcaro eben ganz im Gegenteil die absurden Auswirkungen, die übertriebenes Gutmenschentum und das ewige Um Sich Selbst-Kreisen der viel zitierten Generation Z zeitigt. In einem wunderbaren Aufeinanderprallen von pseudo-esoterischen Phrasen, die auch die Galionsfigur der Sinnsucher Paulo Coelho nicht platter formulieren könnte (besonders genial: „Ein Problem hört auf, eines zu sein, wenn man erkennt, dass es keine Lösung dafür gibt“ – ahhhh ja), und dem die Vitalität schlechthin verkörperndem gallischen Dorf verdreht Visusversus fast allen den Kopf: die Legionäre finden Befehle auf einmal „übergriffig“, Wildschweine werden nicht mehr gejagt und werden zahm, weil man sich auf (regional geangelten, versteht sich) Fisch und Getreide verlegt hat, und auf dem Marktplatz im gallischen Dorf gibt es meditative Dufttherapie bei Verleihnix, regeneratives Flechten und positive Schwingungen bei Automatix.

Allein Asterix, Obelix und Miraculix scheinen immun gegen die Flüstereien des vermeintlichen Gurus, wobei Asterix – der anfangs noch hofft, dass keiner auf das „nichtssagende Gewäsch“ hereinfällt – die Krux der ganzen „Wir tanzen durch die Welt und sind alle wunderschön“-Tendenzen dingfest macht: „Unsere Freunde haben jeden Sinn für Kritik und Widerstand verloren!“ Dass die scheinbar harmonische Glückseligkeit ihrerseits durchaus wieder Normen aufstellt und moralisierend gängelt, das stellt auch Obelix fest, der sein ganzes Leben den Bach runtergehen sieht: „Sag mal, Asterix, glaubst Du, dass wir uns irgendwann wieder fröhlich streiten, raufen und die Arterien verstopfen wie früher? Alles, was ich im Leben gern tue, wird mir vermiest!“

Wunderbar dabei auch der Ausflug nach Lutetia, in dem Fabcaro in einer kleinen Hommage an die „Lorbeeren des Cäsar“ die Natürlichkeit der Gallier mit der Dekadenz der gelangweilten Städter konfrontiert, die sich wie die besten Isarpreißn jeden Quatsch als Kunst andrehen lassen („Banksix ist einfach umwerfend!“), während sich die Gallier nur noch über die „neue Küche“ wundern können und vergeblich versuchen, mit den neumodischen Tretrollern klarzukommen. Auch die ganz aktuelle politische Debatte darf nicht fehlen, wobei Übersetzer Klaus Jöken dabei sehr legitimerweise auch durchaus deutsche Befindlichkeiten einstreut: unsere Gallier bleiben im Stau stecken, weil sich einige Aktivisten auf der Straße festgeleimt haben, um damit gegen die Abholzung des Karnutenwaldes zu protestieren, worauf ein Wutbürger auffährt: „Womit sollen wir im Winter heizen, ohne Holzkohle aus dem Karnutenwald?“

Das Verdikt Fabcaros gegenüber der ganzen selbstfindenden Umkreisungsbewegung fällt eindeutig aus: „Wacht auf!“, ruft Asterix seinen Freunden entgegen, quasi ein Woke der anderen Art, als Rückbesinnung auf vielleicht alte, aber sicher nicht schlechte Werte, wie Miraculix beim abschließenden Bankett treffend feststellt: „Fein, dass alle wieder so sind wie früher! Eigensinnig, fehlbar, reizbar, knurrig, unvollkommen, manchmal dünnhäutig – einfach menschlich!“ So politisch, aktuell, streitbar und im besten Wortsinne konservativ erlebte man Asterix seit Jahrzehnten nicht mehr, wobei sich neben dem Hauptthema natürlich zusätzlich ein wahres Feuerwerk von Gags entlädt, durch das jede Seite prall gefüllt mit Anspielungen (beim Zug nach Lutetia muss man den Abstand zwischen Schienen und Bahnsteig beachten – wer jemals in London U-Bahn fuhr, murmelt noch heute im Schlaf „mind the gap“), Späßen (selbst die Piraten werden kurzzeitig sanftmütig) und natürlich wunderbaren Namen aufwartet, wie z.B. der Chef von Babaorum Daximplus oder der Starschauspieler Boxoffix, der in „Warten auf Godos“ brilliert.

Dass Didier Conrad den feinen Strich Albert Uderzos bis aufs Tüpfelchen beherrscht, sollte nicht mehr überraschend sein, und so liefert dieses Abenteuer weit mehr, als man sich erhoffen durfte. Wie gesagt: Asterix ist endlich wieder da. Wie immer erscheint auch dieser Band bei Egmont Ehapa Media neben dem bewährten Softcover auch als Hardcover. Daneben ist eine Luxusausgabe (1.111 Exemplare mit Making-of und Original-Bleistiftzeichnungen) sowie ab 11. November eine Superluxusedition mit zwei signierten Ex-Libris (399 Exemplare, jeweils schlappe 250,–) erhältlich. (hb)

Asterix, Band 40: Die weiße Iris
Text & Story: Fabcaro
Bilder: Didier Conrad
48 Seiten in Farbe, Hardcover
Egmont Comic Collection
13,50 Euro (Hardcover)
7,99 Euro (Softcover)

ISBN: 978-3-7704-2440-5

ASTERIX®- OBELIX®- IDEFIX® / © 2023 HACHETTE LIVRE / GOSCINNY-UDERZO

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