Erschossen? Vergiftet? Beides? Oder lebt er sogar noch? Versteckt oder auf der Flucht? Welches Schicksal Diktator Adolf Hitler ereilte und wo seine Leiche ist, ist kurz nach Kriegsende in dem von den Russen besetzten und zerstörten Berlin noch immer nicht völlig geklärt. Mehrere Theorien machen die Runde, befeuert durch die beiden konkurrierenden russischen Geheimdienste, dem aufstrebenden SMERSch, geführt von Oberst Viktor Abakumow und der NKWD unter der Leitung von Lawrenti Beria (siehe Cover). Jede der beiden Organisationen behält ihre Erkenntnisse für sich und nutzt diese, um die andere vermeintlich auszuspielen und um damit die Gunst Stalins zu er- und behalten und sich letztendlich schon für die Zeit nach dem obersten Genossen aufzustellen.
Aktuell scheint die SMERSch die Nase vorn zu haben und lässt bei einer Pressekonferenz am 9. Juni 1945 vollmundig verlauten, Hitlers Leiche gefunden zu haben. Aber stimmt das? Hinter den Kulissen beschleichen erneut Leutnant Elena Kagan, die für die SMERSch arbeitet, Zweifel. Und auch Beria glaubt andere, echte Informationen zu besitzen, die er gegen die SMERSch und zu seinem Vorteil verwenden kann. Damit gibt es zwei „konkurrierende“ Lesarten: Hitler habe sich erschossen und er habe sich vergiftet. Aber Stalin verfolgt noch einen ganz anderen Plan: Er verfügt, dass offiziell v.a. unter den westlichen Alliierten verbreitet werden soll, Hitler sei noch am Leben. Damit würden die „Verbündeten“ abgelenkt, indem sie sich auf die Suche nach einem Phantom machen. Doch hinter dieser verordneten Lüge schwelt der Konflikt und der Kampf um die echten Hitler Überreste weiter…
Tatsächlich war unmittelbar nach dem Fall Berlins unklar, was aus Hitler wurde. Und tatsächlich streuten die Russen wissentlich Unwahrheiten, die letztendlich in Verschwörungstheorien und -mythen mündeten. Autor und Journalist Jean-Christophe Brisard erzählt diese brisante Geschichte bisher ausschließlich aus Sicht der Russen, hält sich dabei an (inzwischen) verbürgte Fakten und lässt etliche historische Personen auftreten, scheut sich aber auch nicht, falsche Fährten zu legen oder zumindest anzudeuten – seien es mysteriöse deutsche U-Boote vor der Küste Südamerikas, die Äußerungen der Hitler-Getreuen aus dem Führerbunker oder gar eine Vernehmung der Nazi-Vorzeige-Pilotin Hanna Reitsch. Interessant ist dabei zu beobachten, wie sich eine Lüge bzw. Legende verselbstständigt und eine Eigendynamik annimmt, frei nach dem berühmten Zitat aus „Der Mann, der Liberty Valance erschoß“.
Durch den unerbittlichen Konkurrenzkampf der beiden Geheimdienstlager, der gegenseitigen Scharaden und Intrigen, verbunden mit dem Druck, den beide von Oben erhalten, entsteht so eine fesselnde Story, ungemein dicht und spannend erzählt, ein großes Verwirrspiel mit zahlreichen Wendungen. An der Spitze stehen sich Abakumow und Beria gegenüber und „unten“ dann deren ausführende Kräfte, vertreten durch die furchtlose Elena Kagan und den unerbittlichen Saweljew. Zeichner Alberto Pagliaro setzt auch den zweiten Band markant in Szene, mit einem leicht abstrakten, expressionistischen, wie bizarren, harten Tuschestrich und schrägen Perspektiven, was beispielweise an frühere Bände von Frédéric Bézian erinnert („Der Fluch des Adam Sarlech“). Der abschließende Band 3 erscheint im August. (bw)
Hitler ist tot!, Band 2: Tod den Spionen
Text & Story: Jean-Christophe Brisard
Bilder: Alberto Pagliaro
64 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
17 Euro
ISBN: 978-3-96792-304-9
