Irgendwann, nicht lange nach den Anschlägen vom 11. September. In den unzugänglichen Bergen Afghanistans ist ein US-Flugzeug abgestürzt, offenbar mit einer hochbrisanten Fracht an Bord, die nicht in fremde Hände fallen darf und die die Amis daher um jeden Preis wieder haben wollen. Auch die Briten bekommen Wind von der Sache und werden neugierig. Wie auch die Russen. So entbrennt ein blutiger Wettlauf zur Absturzstelle, ein tödliches Katz-und-Maus-Spiel, das wir aus Sicht eines knorrigen wie harten, altgedienten russischen Soldaten erleben, einem echten Veteran des Krieges. Wer trickst hier wen aus, wer hat am Ende die Nase vorn und sei sie noch so blutig?
Szenenwechsel: Später. Im Süden der USA. In einer Fleischfabrik werden die Arbeiter geschunden. Viele stehen unter Drogen, um das geforderte Pensum schaffen zu können. Immer wieder gibt es deshalb Tote, wobei dem schmierigen Manager nie etwas nachzuweisen ist. Zum Leidwesen des Sheriffs Sam Wallace, der gerade einen schweren Schicksalsschlag verkraften muss und der von einem Freund als „letzter Amerikaner“ bezeichnet wird. Nach dem Fund einer weiteren Leiche muss Wallace wieder ran und jagt bald einen Mörder, der auf einer speziellen Mission ist…
Der Nordire Garth Ennis wurde berühmt durch „Preacher“ und durch seine Arbeit an Punisher – beide Reihen schrieb er für den inzwischen leider verstorbenen Zeichner Steve Dillon. Charakteristisch für viele seiner Arbeiten ist der derb-trockene Humor, der sich gerne in drastischen Szenen niederschlägt. Bei „303“ ist das nicht so („.303 British“ ist die Bezeichnung für eine Patronenart). Die im Wesentlichen zweigeteilte Story bleibt durchweg ernst, wenn auch bisweilen nicht weniger drastisch. Ennis präsentiert seinen namenlosen Helden als ein mit allen Wassern gewaschenen, erfahrenen wie gnadenlosen Soldaten, der seine Mission strikt verfolgt, ohne Rücksicht auf Verluste, seien sie bei Freund, Feind oder bei sich selbst.
Im ersten Teil des Bandes verfolgen wir den Wettlauf zum Wrack. Der Russe führt eine unerfahrene Truppe an und bald ist klar, dass die Engländer mindestens gleich auf sind. Und dann gibt es noch die Amerikaner, die vor brutalen, schockierenden Maßnahmen nicht zurückschrecken. Massive Kriegs-Action ist hier garantiert. Weniger gradlinig geht es im zweiten Teil zu. Zuerst begleiten wir den desillusionierten wie gebrochenen Sheriff, eine interessante Figur, aber leider nicht wirklich ein Antagonist zu unserem Russen. Der verfolgt nun in einer Ein-Mann-Mission ein Ziel aus einem Grund, den nur er kennt, als einsamer Krieger, beim einstigen Klassenfeind.
Zeichner Jacen Burrows, der mit Garth Ennis auch bei der apokalyptischen Zombie-Reihe „Crossed“ zusammen arbeitete (die nach „303“ entstand), setzt seinen Russen-Soldaten als entfernten Verwandten des Punishers in Szene. Mit stoischer Miene, stets grimmigem Blick und markantem Kinn – ein Einzelgänger, der nicht viel Worte braucht. Der es gewohnt ist, Befehle strikt zu befolgen und sich dennoch eine gewisse Ehre und einen Sinn für Gerechtigkeit bewahrt. Wobei der erste Teil, der in Afghanistan spielt, geschlossener, intensiver wirkt und der zweite sich auch dem amerikanischen (Alp)Traum widmet.
Ab und an wird die Handlung unterbrochen durch geisterhafte Rückblenden über die zahlreichen Opfer des Russen oder seinen Vater, der im „Großen Vaterländischen Krieg“ kämpfte. Und in der Wüstenei der Südens der USA, die optisch den afghanischen Bergen ähnelt, lässt Ennis seinen Sheriff in einer originellen Montage aus Gegenwart und Vergangenheit über die Eroberung des Westens sinnieren – was allerdings nicht so ganz in das Gefüge der Story passen mag. Auf sieben Seiten vertieft Übersetzer Jens R. Nielsen mit seinen fundierten Anmerkungen das Wissen um Waffenkunde und Geschichte – wie immer ausführlich und interessant zu lesen. Der Band ist auch als limitierte Hardcover-Ausgabe (s. Cover rechts) erhältlich. (bw)
303
Text: Garth Ennis
Bilder: Jacen Burrows; Farben von Greg Waller & Andrew Dalhouse
148 Seiten in Farbe, Softcover
Dantes Verlag
19 Euro
ISBN: 978-3-946952-80-0
