Superheldenleben waren auch schon glorioser: Lucy Weber hatte 1994 die alten Helden von Spiral City endlich ausfindig gemacht, wieder in unsere Dimension geholt und dabei den namensgebenden Hammer ihres Vaters übernommen. Seither sorgte sie als neue Black Hammer für Recht und Ordnung in Spiral City, bis… das Familienleben zuschlägt. 20 Jahre später ist Lucy vor allem eins: gefrustet und genervt. Nach einem gewaltsamen Eingreifen, mit dem sie den doch eigentlich lobenswerten Dr. Robinson, besser bekannt als Doctor Andromeda, mit drastischen Maßnahmen davon abhalten musste, den ultimativen Lumpensohn Anti-Gott aus der Parazone zu holen, hängte die Dame den Hammer nämlich an den sprichwörtlichen Nagel, während sich fortan die Regierungstruppe Trident um die Verbrecherhatz kümmert.
Den zweitklassigen Schurken Lightning Rod lernte sie damals in seiner allzu menschlichen Inkarnation Elliot kennen und lieben, aber der Haussegen hängt bald gehörig schief. Der egoistische Weichling Elliot hat nichts Besseres zu tun, als mit seiner Sekretärin fremdzugehen, die Tochter schlittert gefährlich nah an einer Drogenkarriere entlang, und Sohn Joe wird in der Schule gemobbt. Und dann öffnet sich zu allem Überfluss auch noch immer wieder eine Zerrzone, in der das Paraversum in die Realität schwappt. Lucys Tochter wird gerade noch von Skulldigger vor diversem Kroppzeug gerettet, der Lucy vergeblich klarzumachen versucht, dass er auf ihrer Seite ist. Kaum hat sich Lucy schweren Herzens entschlossen, den eigentlich vergessenen Hammer wieder zu schwingen, nehmen die Dinge eine noch drastischere Wendung: der alte Dimensionswanderer Colonel Weird erscheint bei ihr zu Hause, schwurbelt bedeutungsschwere Andeutungen, dass sie ihn damit beauftragt habe, das zu tun, was er dann umsetzt: nämlich ihre ganze Familie per Strahlenkanone zu pulverisieren…
Nach diversesten Ablegern und Spin Offs, in denen Jeff Lemire die unterschiedlichsten Winkel seines Hammerverse ausleuchtete, wendet sich der Maestro nun wieder der zentralen Storyline um die verschwundenen Helden von Spiral City zu. Wie bei der gesamten Saga bildet auch hier wieder ein gängiges Motiv der Golden- und Silver Age-Heldenwelten den Kern: Sohn oder Tochter eines Helden übernimmt nach Abdanken/Ableben dessen Amt. Aber natürlich nutzt Lemire dies wie gewohnt lediglich als Absprungbasis für einen zutiefst dekonstruktivistischen Blick auf das Genre: die ehemals strahlende Heldin Lucy versinkt sprichwörtlich im frustrierenden Alltag, ihr Mann hält ihr ironischerweise seine Enttäuschung vor, dass sie nicht mehr Black Hammer sein will, und enthüllt sich in der Ehetherapie doch nur als jämmerlicher Waschlappen. Die Erzählstränge von 1994 und 20 Jahre danach vermischen sich zunehmend, quasi wie die Dimensionen, während sich immer mehr Verbindungen enthüllen und Lemires berühmtes world building voll zum Tragen kommt.
Dass mit Doctor Andromeda ein Protagonist der Spin Offs wieder auftritt (der ursprünglich Doctor Star benannt war, siehe „Dr. Star und das Reich der verlorenen Hoffnung“ – sei’s drum), nimmt dabei eine der bewegendsten Stories aus dem Hammerverse wieder auf und spiegelt diese zugleich: Dr. Robinson machte sich vergeblich Hoffnung, dass sein entfremdeter Sohn einmal die Rolle des Star/Andromeda übernehmen würde. Skulldigger kennen wir ebenfalls aus einem Serien-Spin Off, während der lapprige Lightning Rod neu eingeführt wird. Für diesen Neustart der Serie wanderte der Zeichenstift von Dean Ormston hin zu Caitlin Yarsky, die im Nachwort ausführt, dass sie Schritt für Schritt vorging und gleich das erste Panel mit Anti-Gott durchaus herausfordernd war. Die Dame meistert die Klippen allerdings formidabel und bringt Jeff Lemires sinnverwirrenden Handlungsreigen in eine stimmige Inszenierung. Das Weichei Elliot lehnte sie nach eigener Aussage übrigens optisch an den unvergessenen Schauspieler Philip Seymour Hoffman an, der ähnliche Charaktere durchaus treffend darzustellen wusste. Und ach ja, einmal läuft „Gideon Falls“ im Kino von Spiral City. Lemire darf das. (hb)
Black Hammer, Band 5 – Reborn, Buch 1
Text: Jeff Lemire
Bilder: Caitlin Yarsky
112 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
22 Euro
ISBN: 978-3-96792-225-7
