Schiff der lebenden Toten (Panini)

Juli 30, 2021
Joe Hill: Schiff der lebenden Toten (Panini Comics)

Vierzig Jahre sind eine lange Zeit und wenn nach einem Tsunami ein bereits so lange verschollenes und längst verloren geglaubtes Schiff plötzlich wieder ein Notsignal sendet, sollte man der Sache nachgehen. Das geschieht hier inoffiziell, der Ölkonzern Rococo International, dem die Derleth – so der Name des Schiffs – gehört(e), will kein Aufsehen erregen. Denn das Signal der Derleth kommt mutmaßlich von einer kleinen Aleuteninsel, die sowohl von den Amerikanern, als auch von den Russen beansprucht wird. So engagiert man das Bergungsunternehmen von Gage Carpenter, der sich mit einer kleinen Mannschaft, ergänzt durch den Rococo-Offiziellen Lacome und die Meeresbiologin Moriah Lamb, auf den Weg macht. Vor Ort erkennt man, dass die Derleth halb versunken auf Grund liegt und begibt sich an Land. Dort stellt Moriah nicht nur Mutationen an Schalentieren fast, sie erlebt auch einen ersten Schockmoment. Und bald scheint klar, dass auch nach vierzig Jahren die Mannschaft der Derleth nicht so tot ist, wie man glaubte…

Was hier auch vom nicht ganz geglückten deutschen Titel her klingt wie eine Zombie-Mär ist – wenn überhaupt – nur die halbe Wahrheit. In der Story steckt viel mehr – und wenn man die Namen liest, die Autor Joe Hill, seines Zeichens Filius von Stephen King, hier verwendet, wird schnell klar, wovor er sich hier verbeugt: Carpenter, Russell, MacReady, Derleth. Genau, Hill mischt hier in erster Linie Motive aus „Das Ding aus einer anderen Welt“ (von John Carpenter, mit Kurt Russell in der Hauptrolle als Pilot MacReady) mit dem Cthulhu-Mythos von Horror-Ikone H.P. Lovecraft (dessen Werke von August Derleth verlegt wurden). Dazu gesellen sich noch weitere klassische Anleihen von Aliens bis zu den Body Snatchers Streifen und anderen 50er Jahre SciFi-Invasionsfilmen. Also viel Hommage, aber mitnichten ein Plagiat. Joe Hill versteht es, den zu erwartenden Schrecken – ganz Genre konform – langsam zu steigern, bis es am Ende des ersten Kapitels (der „DC Black Label“ Sammelband beinhaltet alle sechs Hefte der Reihe, die im US-Original passender und vieldeutiger „Plunge“ heißt) zu einem ersten formidablen Horror-Cliffhanger kommt.

Die Hardcover-Variante

Auch im Folgenden weiß Hill zu überraschen. Das Grauen steigert sich immer weiter in dem Maße, in dem die Mannschaft Carpenters dezimiert wird. Dabei stellt sich nach und nach heraus, dass die „überlebende“ Besatzung der Derleth (ja, so viel verraten wir) nicht nur mathematisch höchst begabt ist, sondern auch ein bestimmtes Ziel verfolgt, dass sie nur mit Carpenter und seinen Leuten erreichen kann. Dazu offeriert man ein verlockendes Angebot, das der auf Profit geeichte Rococo-Manager Lacome, der offenbar ohnehin mehr zu wissen scheint, als er zugibt, partout nicht ablehnen will. So kommt es zusätzlich auch innerhalb von Carpenters Team zu Spannungen. Später, als die Lovecraft’schen Elemente vermehrt zum Tragen kommen, wird es regelrecht apokalyptisch und inhaltlich etwas haarig. Dennoch: vor allem in der ersten Hälfte kredenzt Joe Hill hier – tragend unterstützt durch den stets fleißigen Zeichen-Veteran Stuart Immonen (der für Marvel und DC schon alles zeichnete, was sich Superheld/in schimpft) – eine famose Horror-Story, an der man sich auch eingedenk der Genre-Vorbilder bestens gruseln kann. (bw)

Schiff der lebenden Toten
Text: Joe Hill
Bilder: Stuart Immonen, Dave Stewart (Farben)
172 Seiten in Farbe, Softcover
Panini Comics
19 Euro

ISBN: 978-3-7416-2259-5

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