Aussteigen wollte er eigentlich, der Button Man Harry Exton, der sich in England für ein gnadenloses Killerspiel hatte anheuern lassen, das er beinahe mit dem Leben bezahlt hätte. Aber irgendetwas muss massiv schiefgelaufen sein: Harry wacht in einem fremden Haus auf und kann sich nicht mehr so recht erinnern, was Sache ist. Eine hübsche Dame stellt sich als seine angebliche Frau Cora vor, aber bald wird Harry klar, dass seine Vergangenheit ihn doch einholt. Der schmierige Senator Albert Jacklin hat ihn aus England herausgeschmuggelt, nach Amerika verfrachtet und macht ihm nun eines jener berühmten Angebote, das man nicht ablehnen kann: für ein Jahr soll er nochmal als Button Man ins Rennen gehen, dann ist Schluss, und Harry ist ein gemachter Mann. Bei seinem Vorgänger mit dem Decknamen Sharkey hat das angabegemäß bestens geklappt, und so sagt auch Harry zu.
Mit einer neuen Identität ausgestattet, nimmt er unter dem Namen Harry Elmore fortan die Aufträge seiner „Stimme“ Jacklin entgegen: ein erstes Duell entscheidet er im American Museum of Natural History für sich, die Leiche seines Widersachers findet man im Central Park, wobei Jacklin dafür sorgt, dass ganz offiziell Harry Exton der Tote ist. Somit ist Harry endgültig von der Bildfläche verschwunden und kann sich ganz dem modernen Gladiatorenspiel widmen, immer ganz persönlich „betreut“ von Cora, die ihm seine Aufträge überbringt und auch anderweitig für seine Unterhaltung sorgt. Quer durch Amerika zieht sich die Todesspur, von New York über Pennsylvania bis hin zu einem Vierer-Duell in einer verlassenen Westernstadt in Arizona.
Harry streicht fette Prämien ein, die er bei der Central Bank der Caiman-Inseln hinterlegt (dort gibt man sich ja bis heute diskret und verschwiegen) – aber irgendwann wird der Senator unzufrieden mit Harrys ruppiger Art, nahezu jeden Opponenten umzubringen anstatt einfach zum Zeichen des Sieges einen Finger abzuschneiden. Eines Tages macht Harry, der zunehmend von Alpträumen geplagt wird, mit seinem neuen Weggefährten, einem zugelaufenen Hund, eine grausame Entdeckung: nicht etwa am Strand in den Tropen, wie von Cora behauptet, sondern als Leiche im See vor dem Haus liegt sein Vorgänger, der offenbar ebenso wenig aussteigen konnte wie er selbst. Da wollen ihn Jacklin und Cora sowieso längst loswerden, aber sie haben die Rechnung ohne Harry gemacht: die drei Fieslinge, die ihn entsorgen sollen, beseitigt er mühelos – und macht sich dann auf in Richtung Domizil des Senators, um die große Abrechnung zu servieren…
In den weiteren Abenteuern des „Button Man“ Harry Exton, die 1994 auf den Seiten von 2000 AD erschienen, zog John Wagner erneut alle Register und schärfte seine geniale Erfindung noch weiter. Ausgangspunkt ist dabei nach wie vor Robert Sheckleys Erzählung „The Prize Of Peril“, die popularisiert als TV-Fassung „Das Millionenspiel“ und als Schwarzenegger-Vehikel „Running Man“ hellsichtig die Vision einer sensationslüsternen, dekadenten Gesellschaft zeichnete. In diesen Episoden ergänzt Wagner nun noch die Figur des wohl bekanntesten Agenten der Literatur- und Filmgeschichte: bei seinen Einsätzen wird Exton mit immer ausgefeilteren „gadgets“ ausgestattet (Uhr mit Würgedraht, Terminplaner mit Explosionsfunktion etc.), bis er selbst lakonisch feststellt: „Du stehst auf diese Spielereien, was, Cora? Ich heiße Exton, nicht Bond.“
In der Tat kommt die Brutalität und Rücksichtslosigkeit Harrys den ersten Inkarnationen von 007 in den Fleming-Romanen durchaus gleich, wobei mit weiterem Fortgang immer mehr die schiere Brachialität seines Vorgehens in den Vordergrund rückt. Geradezu alptraumhaft gestaltet sich dann die Schluss-Sequenz, als Harry den Wohnsitz Jacklins angreift und dabei das umliegende Sumpfland zu seinem ganz eigenen Guerilla-Kampfgebiet macht – die großen Dschungel-Kämpfer John Rambo und „Dutch“ Schaefer (der seinem Gegner am Ende in breitem steirischen Englisch auf den Kopf zusagt, er sei ein „ugly motherfucker“) geben sich hier mehr als einmal ein Stelldichein. Auch die optische Gestaltung von Arthur Ranson ist einmal mehr kompromisslos und drastisch, gerät aber vor allem in den Alptraumsequenzen und eben jedem Schlussakkord in den Sümpfen zu einer dichten, atmosphärischen Qualität. Auch wenn Harry – spoiler ahead – am Ende wieder einmal entkommen zu sein scheint, hat er keine Ruhe: Band 3 mit dem vielsagenden Titel „Killer Killer“ ist schon im Anflug. (hb)
Button Man, Band 2: Das Bekenntnis
Text: John Wagner
Bilder: Arthur Ranson
120 Seiten in Farbe, Hardcover
Panini Comics
22 Euro
ISBN: 978-3-7416-2166-6