Halo Jones, Band 2 (Panini)

März 29, 2021
Die Ballade von Halo Jones, Band 2 (Panini Comics)

Rückblick aus dem Jahr 6247: Dr. Brunhauer referiert eindrucksvoll über die historische Gestalt Halo Jones, um die sich viele Legenden ranken. Irgendwann im Jahr 4949 ist die Dame abgehauen aus Serenopolis, damals noch bekannt als Ring, jener Ansiedlung vor New York, in die man kurzerhand die Arbeitslosen abgedrängt hat (aus den Augen, aus dem Sinn). Ihre Freundin Rodice hat sie zurückgelassen, als sie auf dem Raumer Clara Pandy als Stewardess anheuert – unter dem Versprechen, dass die Damen sich möglichst bald auf dem Planet Charlemagne treffen. Kaum hat man den äußersten Planeten (den Status hatte der damals noch) Pluto passiert, da schickt Halo eine Botschaft an Rodice: mit ihrer Zimmergenossin Toy Molto ist sie ganz glücklich, aber so richtig wohl fühlt sich Halo im knallengen Flugbegleiterinnen-Dress nicht. Wenigstens gibt es da den Schiffskybernetiker Mix Ninegold, den Halo anschmachten kann, und den Steuermann: den Wal Tiki, mit dem sich Halo gerne unterhält.

Nach einem Monat im All kommt Leben in die Bude, als ein Terrorkommando, die tarantulische Befreiungsarmee (eine Art futuristischer Volksfront), das Schiff kapert und Verhandlungen im Krieg verlangt, den die Erde aus schnöden Rohstoff-Begierden führt. Als Halo als Geisel genommen wird, greift Robo-Hund Toby rabiat ein und zerfetzt die Angreifer buchstäblich in der Luft. Nach drei Monaten stellen Halo und Toy fest, dass sie ein Wesen haben, dass sich als Glyphe vorstellt: eine ehemalige Dame, die sich 47 Mal den einfach zu habenden Geschlechtsumwandlungen unterzogen hat und jetzt buchstäblich nicht mehr weiß, ob es Männlein und Weiblein ist. Diese Kreatur ohne Eigenschaften hilft Halo doch tatsächlich, als sie in der Präsidentensuite auf ein Rudel Ratten trifft, das als Ersatz für ein verstorbenes Mitglied einen neuen Vertreter sucht. Nach acht Monaten schließlich sieht sich Halo mit der schrecklichen Erkenntnis konfrontiert, dass ihre alte Freundin Brinna nicht von irgendwelchen Marodeuren, sondern von einer durchaus bekannten Gestalt umgebracht wurde…

Weltraumterroristen! Neutrums-Wesen! Rattenbanden! Durchgeknallte Robo-Hunde! In den ersten Kapiteln, in denen Alan Moore und Ian Gibson ihre Heldin Halo Jones ab Mai 1985 in den Seiten von 2000 AD in den Weltenraum schickten, weicht die bittere Antiutopie der Auftaktstories im Ring nun einer straighten Space-Opera-Action, die mit vielen satirischen Seitenhieben glänzt und sich gerne auch in handgreiflicher Girl Power manifestiert. Dabei durchläuft Halo einen Prozess des Erwachsenwerdens: angekommen auf Charlemagne, muss Halo feststellen, dass ihre Freundin Rodice den Sprung weg von der Tristesse des Rings nicht wagt, woraufhin sie nur klarmacht: „Ich komme niemals zurück“. Gerade im Weltraumhafen Charlemagne stellt sich dann auch heraus, dass nicht alles ist, wie es scheint: die tarantulischen Befreiungskämpfer wehren sich wohl durchaus zurecht gegen fiese Machenschaften der verdammten irdischen Besatzer, die einen Rattenkrieg anzetteln wollen, wozu ein Rattenkönig erforderlich ist – und schon ergibt die seltsame Nager-Episode Sinn.

Dass niemand anders als Roboterhund Toby für Brinnas Tod verantwortlich ist, ist ebenso bemerkenswert wie die Hellsichtigkeit, mit der Moore und Gibson schon Mitte der 80er die aktuell immer mehr Fahrt gewinnende öffentliche Diskussion um dritte, vierte und xte Geschlechter vorwegnahmen. Garniert mit den üblichen Querverweisen auf andere 2000 AD-Serien wie Judge Dredd (wieder treten handgreifliche Gesetzeshüter auf) und einem mehr als makabren Hommage an Soylent Green (im Ring gibt es so genannte Exitusgärten, wo man nochmal an Blumen riechen darf, bevor man per Gifttrunk freiwillig abtritt) brettert die Serie, die bei Panini im hochwertigen großformatigen Hardcover erscheint, nun ungebremst durchs Universum. Und ach ja, wir legen gleich wieder die „Pop Art“-Scheibe auf und singen mit bei Transvision Vamp. Immer noch schön. (hb)

Die Ballade von Halo Jones, Band 2
Text: Alan Moore
Bilder: Ian Gibson
64 Seiten in Farbe, Hardcover
Panini Comics
17 Euro

ISBN: 978-3-7416-2164-2

Tags: , , , , , , , ,

Comments are closed.