James Bond Classics: Leben und sterben lassen (Splitter)

November 16, 2020
James Bond Classics: Leben und sterben lassen (Splitter Verlag)

Nachbarschaftshilfe gibt’s auch unter Geheimdiensten. Deshalb entsendet MI-6 den besten Mann nach New York, als dort vermehrt Goldmünzen auftauchen, die irgendwie dazu verwendet werden, russsische Spionage-Aktivitäten zu finanzieren. Da ist es praktisch, wenn man vor Ort gleich Anschluss findet: Bond trifft gleich am Flughafen entzückt auf seinen alten Kumpel Felix Leiter, den CIA-Agenten, den er schon am Spieltisch im Casino Royale an seiner Seite hatte. Gemeinsam machen sich die Haudegen auf in den Savoy Ballroom, wo die atemberaubende G G Sumatra ein heißes Tänzchen aufführt – und wo, so munkelt man, auch Mr. Big zu finden ist. Dieser hünenhafte Verbrecher-Chef kommandiert ganz New Yorks Unterwelt, wurde im Krieg von den Russen ausgebildet, arbeitet mittlerweile für die durchaus handgreifliche Organisation Smersh (mit der Bond ebenfalls in Casino Royale äußerst ruppige Bekanntschaft machte) und scheint mitsamt seiner Yacht irgendeinen Weg gefunden zu haben, die Goldmünzen von Jamaica ins Land zu schaffen.

Mr. Big, Nebenberuflich angeblich noch Anführer eines Voodoo-Kults, mag es allerdings gar nicht, wenn man in seinen Angelegenheiten herumschnüffelt: er schnappt sich Leiter und Bond, rückt ihnen hochnotpeinlich zu Leibe (Bond bricht man zum Auftakt gleich mal den kleinen Finger) und verzichtet nur auf drastischere Maßnahmen, weil seine Freundin Solitaire – angeblich gesegnet mit den Fähigkeiten eines Mediums – Bonds Coverstory bestätigt. Mit einer eindringlichen Warnung ausgestattet, gelingt Bond die Flucht, wobei er diverse Helfershelfer von Mr. Big zur Strecke bringt. Mit dem Zug macht er sich dann auf Richtung Florida, wo die Hauptanlegestelle von Bigs Yacht zu finden ist – und damit auch die Spur zu den Goldmünzen. Zu Bonds großer Überraschung schließt Solitaire sich ihm an: Big habe sie wie eine Gefangene gehalten, um die Geschichten seiner „Gesprächspartner“ auf Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Bond willigt ein, ahnt schon Böses und behält Recht: nur knapp entgeht man im Zug einem Attentat der Gefolgsleute von Big. In Florida mieten sich Bond, Leiter und Solitaire in einer Wohnung an und gehen Hinweisen nach, dass der örtliche Laden für Angelzubehör und exotische Fische in die Sache verwickelt sein muss. Bald stellt sich heraus, dass Bigs langer Arm auch nach Florida reicht: Solitaire wird entführt, und Leiter kehrt von einem Besuch im Fischladen als blutiges, halb zerfressenes „Paket“ halbtot zurück… 

Mit „Live And Let Die“ legte Ian Fleming 1954 den zweiten Bond-Roman vor, in dem sich die typischen Bond-Themen kalter Krieg und Agentenspiele mit anderen Aspekten vermischen – exotische Karibik-Romantik in Gestalt der Goldmünzen, die aus einem Piratenschatz stammen, tritt uns ebenso entgegen wie die Frage der Rolle Großbritanniens in der neuen Weltordnung nach dem Krieg, vermengt mit teilweise stereotypen Darstellungen von ethnischen Zusammenhängen. Mr Big stellt dabei einen typischen Bond-Schurken dar, mit den obligatorischen körperlichen Deformitäten und einer zutiefst banalen Motivation für sein Handeln: es geht ihm weder um Geld noch um Macht, sondern nur darum, seine dröhnende Langeweile zu besiegen. Für solche Momente, so erklärt er Bond, ist er zu allem bereit. Bond selbst erscheint durchaus menschlicher und facettenreicher als im Erstlingswerk, ebenso wie Felix Leiter vom reinen Sidekick zum vollgültigen Charakter avanciert.

Nach einer frühen Comic-Adaption, die 1958 und 1959 im Daily Express erschien, diente der Roman 1973 als Vorlage für das achte Bond-Leinwandabenteuer, das sich an die damalige Blaxploitation-Welle anzuhängen versucht. Erstmals schlüpfte da Roger Moore in die Rolle des 007, womit endgültig der Abschied von der verbissen-brutalen Romanfigur besiegelt und der Weg hin zum feixenden Gentleman begonnen wurde (und nebenbei sprang einer der besten Bond-Titelsongs aus der Feder von Paul McCartney heraus, der Jahrzehnte später in einer aufgepeppten Version nochmals in allen Stadien rund um die Welt ertönte). Zahlreiche Motive des Romans fanden allerdings auch Eingang in spätere Bond-Filme: die Szene, in der Bond und Solitaire hinter Bigs Boot hergeschleift werden, kehrte in „For Your Eyes Only“ zurück, und die Hai-Attacke auf Felix Leiter schaffte es bis in „Licence to Kill“.

Für ihre Adaption im Rahmen der Classic-Story-Reihe halten sich Van Jensen und Kewber Ball eng an der Vorlage – mit sehr viel Original-Passagen, die das Geschehen bisweilen anmuten lassen wie einen illustrieren Roman. Das bringt viel Authentizität und vermittelt das Tempo und die Geradlinigkeit der Story wunderbar – ebenso wie die leicht stilisierten, immer atmosphärischen Zeichnungen. Ergänzt wird die Splitter-Ausgabe von einem Bonus-Teil mit Skizzen-Zeichnungen und Auszügen aus Jensens Drehbuch für die Adaption. Wir hoffen auf baldige Fortsetzung – wenn man sich weiter an der Chronologie von Flemings Romanen entlanghangelt, wäre als nächstes nun Moonraker an der Reihe. Einstweilen singen wir nochmal mit Axl: „when you were young and your heart was an open book… “ (hb)

James Bond Classics: Leben und sterben lassen
Text: Van Jensen, nach Ian Fleming
Bilder: Kewber Baal
184 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
24 Euro

ISBN: 978-3-96219-166-5

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