Der Schweinehund, Band 1 (Carlsen)

Oktober 12, 2020

Brasilien 1972, irgendwo im tiefsten Amazonas. Hier wollen die Freundinnen und Krankenschwestern Christelle, genannt Cricri und Charlotte ihren neuen Job antreten und für drei Monate die Leitung einer Krankenstation übernehmen. Nach ihrer Ankunft treffen sie auf den jungen Max, ebenfalls Franzose, aber hier geboren. Dessen Mutter ist gerade gestorben und nun macht er sich auf die Suche nach seinem Vater, von dem er nichts weiß, weder Namen noch Verbleib. Zwei alte Fotos mit zwei unterschiedlichen Männern sind seine einzige Spur, einer davon sollte sein Vater sein. Nachdem die drei vorübergehend bei der Aussteigerin Corinne unterkommen, finden sich tatsächlich erste vage Spuren über die beiden Unbekannten auf den Fotos. Angeblich soll der Vorarbeiter Zachary aus dem Camp der Arbeiter noch tiefer im Dschungel Genaueres wissen. Jetzt trennen sich die Wege von Max und Chistelle/Charlotte, doch schon bald erleben alle ganz persönliche Katastrophen, die ansatzlos über sie hineinbrechen…

Régis Loisels neue Comicreihe – bei der er wie bereits bei „Der Grosse Tote“ lediglich als Autor fungiert – beginnt als Aussteiger-Geschichte in der Post-Hippie-Zeit. Max, trotz gewaltiger und ungewisser Aufgabe – schließlich soll der Vater gefunden werden – mit leichtem Gepäck samt Gitarre gibt sich reichlich unbeschwert und lässt sich sofort mit Corinne ein, die das Konzept der freien Liebe konsequent pflegt. Auch Charlotte und Cricri, die ein Paar sind, machen sich nicht groß Gedanken über ihren neuen Job. Was sich bald ändert, denn schon kurz nachdem jeder seine eigenen Wege geht, ziehen dunkle Wolken auf, die sich zu einem unheilvollen Sturm zusammenbrauen. Denn die Pläne, sowohl von Max als auch von Charlotte und Cricri, werden komplett durchkreuzt. Dschungel-Romantik weicht einer grausamen und auch blutigen Realität, was den Story-Verlauf komplett ändert und neue Perspektiven kreiert. So tritt Max‘ Suche nach dem Vater völlig in den Hintergrund und weicht einem Überlebenskampf im Dschungel, während Charlotte und Cricri früher als ihnen lieb ist ihr Können unter Beweis stellen müssen.

Anfangs nimmt der Auftaktband sich Zeit, stellt die lebenslustigen Charaktere vor, deren Ziele und wirft – wie auch immer wieder bei Loisels Reihe „Das Nest“ – gerne den Blick auf das Alltägliche, auch mit Humor. Die Damen unterstützen Max bei seiner Spurensuche und ahnen natürlich nicht, dass diese eine auch zufallsbedingte Verkettung tragischer und dramatischer Ereignisse in Gang setzen wird. Später wird der Cliffhanger am Ende überraschen und doch wieder zu Max‘ Vatersuche zurückkehren, wenn auch ganz anders als gedacht und erwartet (der Titel der Reihe verrät dabei dabei, dass die Suche zentrales Thema der Story bleiben mag – als „Schweinehund“ wird einer der potentiellen Väter auf dem alten Foto bezeichnet). Zeichner Olivier Pont, der hierzulande mit dem romantisch-tragischen Band „Jenseits der Zeit“ (dt. bei Carlsen) und der episodischen Graphic Novel „7 Frauen“ (dt. bei Splitter) in Erscheinung trat, bleibt auch hier seinem semi-realistischen Stil bei und lässt das Geschehen – ob dramatisch oder nicht – stets flüssig erscheinen, immer mit einer gewissen lockeren Eleganz und in satten Farben gehalten. Der Auftakt ist liest sich spannend und abwechslungsreich. Und hält sich bezüglich seiner Story-Ausrichtung alle Möglichkeiten offen. (bw)

Der Schweinehund, Band 1: Isabel
Text: Régis Loisel
Bilder: Olivier Pont
96 Seiten in Farbe, Hardcover
Carlsen Verlag
18 Euro

ISBN: 978-3-551-79357-7

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