Black Hammer, Band 4 (Splitter)

Januar 14, 2020
Black Hammer, Band 4 (Splitter Verlag)

Verwirrung ist gar kein Ausdruck für das, was Colonel Weird wieder mal durchzumachen hat. Da hat er seinen alten Kumpanen gerade eröffnet, dass die Farm, auf der sie sich urplötzlich wiederfanden, niemals existiert hat. Vielmehr war das Ganze eine elaborate Illusion, die Madame Dragonfly und der interdimensionale Raumfahrer ersonnen hatten: um das Gleichgewicht im Universum zu wahren, mussten die Helden nach der Vernichtung von Anti-Gott verschwinden, damit nicht alles aus dem Lot geriet. Colonel Weird verfrachtete die ganze Mannschaft (mit Ausnahme des verschwundenen Black Hammer) kurzerhand in die Para-Zone, wo man dann buchstäblich den Schlaf der Gerechten schlief und von der Farm träumte. Das alles flog bekanntlich auf, und gegen die eindringlichen Warnungen von Weird und Dragonfly nimmt das Raumschiff Kurs auf die diesseitige Dimension. Dort findet sich Colonel Weird dann mutterseelenalleine wieder und muss ein zutiefst bizarres Szenario bestaunen: auf einer öden Welt treten ihm diverse Figuren entgegen, die von den ominösen „Schöpfern“ allesamt irgendwann einmal als Helden, Widersacher oder Sidekicks in Spiral City vorgesehen waren, letztendlich aber nie zum Einsatz kamen. Mit dieser illustren Truppe muss Weird dann beobachten, wie Anti-Gott über die Welt herfällt…

Szenenwechsel, Spiral City, einige Jahre nach dem Verschwinden der Helden. Lucy Weber geht einer öden Existenz in einem Pizza Take-Away Laden nach. Irgendwann war da doch mal mehr, so schwant ihr das immer wieder, aber so richtig erinnern kann sie sich nicht. Plötzlich allerdings kontaktiert sie ein geheimnisvoller Anrufer: nichts anderes als die Wahrheit könne er ihr eröffnen, wenn sie sich zu ihm begebe. Anfangs zweifelnd, macht sich Lucy auf den Weg und trifft auf einen bemerkenswerten Roboter, der behauptet, dass sie doch eigentlich jemand ganz anders sei. Der Unglaube findet ein Ende, als Talky Walky – niemand anders als Weirds alter Kumpel tritt ihr da nämlich entgegen – ihr einen gewaltigen Hammer in die Hand drückt und sie sich in ihr alter ego Black Hammer verwandelt.

Gemeinsam machen sie sich auf die Suche nach den restlichen Helden, die ihrerseits klägliche Dasein ohne Erinnerung an den alten Glanz fristen: Abe Slam findet man als abgehalfterten Wachmann, und Gail vegetiert als alte, demente Dame in einem Pflegeheim dahin. Einzig Madame Dragonfly lässt es sich als glückliche Mutter gut gehen, kann aber ihre Vergangenheit letztendlich auch nicht verleugnen. Während sich am Himmel düstere Zeichen verdichten, die auf Untergang stehen, taucht plötzlich Weird auf, der die ganze Bande in seinen Raumer packt und auf den Mars verfrachtet, wo man auch noch Barbalien aufliest, der in einer trauen modernen Familie lebt. Gail schafft es endlich, das magische Wort Zafram zu sprechen – aber kaum ist sie wieder Golden Gal, löst sich Lucy in Luft auf und findet sich vor ihrem tot geglaubten Vater wieder. Der eröffnet ihr die fürchterliche Wahrheit: weil die Helden wieder da sind, greift Anti-Gott an – und nur das erneute Verschwinden aller Heroen kann ihn aufhalten…

Mit diesem furiosen Band findet der erste Handlungszyklus der formidablen Black Hammer-Reihe seinen Abschluss. Die Karten liegen auf dem Tisch, das Gleichgewicht wurde künstlich durch die aufwändige Illusion der Farm hergestellt, in dem sich jeder Held seinen Wunschtraum verwirklichen konnte. Die Realität dagegen ist düster und einsam: Spiral City wirkt verkommener als Gotham City, bis auf Madame Dragonfly friste die Ex-Helden beklagenswerte Existenzen, und ein melancholischer Grundton herrscht vor. Dabei zieht Jeff Lemire wieder alle Register der Meta-Genre-Kommentare: der große Showdown der erneuten Attacke von Anti-Gott wirkt einmal mehr wie eine direkte Referenz auf die Angriffe eines gewissen Galactus, die „Neuwelt“, in der sich der alte Black Hammer geflüchtet hat, sieht inklusive Flügelhelmträgern Thors Heimat Asgard durchaus ähnlich, und im Aufeinandertreffen von Vater und Tochter inszeniert Zeichner Dean Ormston einen archetypischen Heldenmoment.

Dominierend dabei die Verneigung vor den Golden- und Silver-Age-Inkarnationen der Heldenwelt, die sich in Storyline und Covers gleichermaßen niederschlägt. Colonel Weirds bizarres Abenteuer liefert dabei einen klugen Metakommentar auf den Entstehungsprozess der Bildgeschichten an sich, als gescheiterte Helden und witzige Sidekicks (bis hin zu tierischen Begleitern, die in diversen spaßigen Charakteren wie Spider-Ham ebenfalls Vorläufer haben) als nicht verwendete Figuren zu ihren Schöpfern nach Hause zurückkehren. Ein wunderbarer, absolut würdiger Abschluss dieses Handlungsbogens, der das Hammerverse abrundet und folgende Attraktionen wie etwa „Black Hammer 45“ umso verlockender erscheinen lässt. Dem Vernehmen nach sind die Rechte für Filme und TV-Serien schon unter Dach und Fach, unter engster künstlerischer Führung von Jeff Lemire himself – wir dürfen gespannt sein. (hb)

Black Hammer, Band 4: Age of Doom, Buch 2
Text: Jeff Lemire
Bilder: Dean Ormston, Rich Tommaso, Dave Stewart
192 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
24 Euro

ISBN: 978-3-96219-042-2

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