Der Flieger, Band 1 (Salleck)

Juli 30, 2019
Der Flieger, Band 1 (Salleck)

Deutsch-Ostafrika, 1917: während in Europa der Krieg tobt, versucht der protestantische Pastor Lothar Schäfer, den vermaledeiten Wilden die Religion zu bringen, und nebenbei auch ein wenig Bildung und den verstreuten Kolonialisten ärztlichen Beistand. Weil dabei durchaus weite Entfernungen zu überwinden sind, schwingt er sich dabei in die Lüfte: mit einer Albatros B II, dem einzigen Flugzeug weit und breit, besucht der Seelsorger seine Schäfchen. Mit dabei ist sein Sohn Josef, dem er auf knorrige Art das Fliegen beibringt. Das Gerät weckt allerlei Begehrlichkeiten: Lothars Bruder Friedrich bittet den fliegenden Pastor um Luftaufklärung bei einem geplanten Angriff auf die britischen und belgischen Truppen, aber der Gottesmann lehnt brüsk jede Beteiligung an den Kampfhandlungen ab.

Bei einer der Besuchsrunden wird die Sache dann richtig kompliziert: Silke, die junge Frau des alten Farmers Becker, macht Josef unverhohlene Avancen, die zunächst noch folgenlos bleiben. Als Josef dann einige Tage auf der Farm verbringt, um einen defekten Traktor zu reparieren, kommt es doch zur Annäherung, bei denen die beiden in flagranti ertappt werden. Wie einen Hund jagt man den Jungen vom Hof, der zu Hause vom Vater drakonisch bestraft wird – bis die Meldung eintrifft, Silke habe sich umgebracht, wofür Lothar seinem Sohn die Schuld in die Schuhe schiebt. Der ist erst verzweifelt und dann abgrundtief erzürnt, als er die Wahrheit erfährt: Silke hat sich keinesfalls selbst getötet, sondern wurde von Klaus, dem sadistischen Vorarbeiter Beckers, erschlagen. Josef bricht in derselben Nacht mit dem Vater, stiehlt das Flugzeug und macht per Granaten den Hof des alten Becker dem Erdboden gleich. Anschließend schickt er sich an, in die Kampfhandlungen einzugreifen, verfolgt von Klaus und auch seinem Onkel, der das Flugzeug nun endgültig für seine Zwecke einkassieren will…

Nur ganz kurz tritt er auf, der alte Fliegerhaudegen Tanguy-la-vie-dure, in der Serie „Tramp“, in der es ja eigentlich um die Abenteuer des Kapitäns Yann Calec geht (um präzise zu sein: auf Seite 39 von Band 5 der „Tramp“ -Gesamtausgabe bei Comicplus, gezeichnet vom inzwischen leider verstorbenen Patrick Jusseaume). In dieser neuen Serie breitet Jean-Charles Kraehn (u.a. „Quintett“, „Das geheime Dreieck“) nun die Lebensgeschichte dieser Nebenfigur aus, die schon von der Namensgebung her an die legendäre Fliegerserie „Tanguy und Laverdure“ von Albert Uderzo und Jean-Michel Charlier erinnert. Abenteuerlich gestaltet er sie, die Herkunft des jungen Josef, der durch einschneidende Erlebnisse zu dem harten Hund wurde, als der er in „Tramp“ dann auftritt.

Die jugendliche Unschuld endet jäh in Gewalt, Repressalien und Tod, und auch der ganze scheinheilige Eigennutz der angeblich so wohlwollenden Kolonialherren tritt in Form Beckers, aber auch des Paters zu Tage, der allen Ernstes an seinen göttlichen Auftrag glaubt, die „Wilden“ zu bekehren, was sein Bruder weidlich verspottet. Diese coming of age-Thematik wurde von Erik Arnoux („Sara Lone“) und Chrys Millien verpackt in wunderbare Panorama-Bilder des Doppeldeckers, der à la Jenseits von Afrika die Steppe nebst zugehöriger Wildtiere überfliegt, gepaart mit detaillierten Charakterstudien und nicht zuletzt auch durchaus erotischen Momenten. Ein wunderbarer Auftakt, der bei Salleck in gewohnt hochwertiger Aufmachung als großformatiges Hardcover erscheint. Wir freuen uns schon auf weitere Rundflüge. (hb)

Der Flieger, Band 1: Der Start
Text: Jean-Charles Kraehn
Bilder: Chrys Millien, Erik Arnoux
64 Seiten in Farbe, Hardcover
Salleck Publications
15 Euro

ISBN: 978-3-89908-665-2

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