Zeitreisen haben immer so ihre Tücken. Das wussten nicht nur Marty McFly, Sarah Connor und ein gewisser viktorianischer Gentleman: nein, auch Peter Parker muss sich ganz gehörig vorsehen, als ihn der mittlerweile zum Helden mutierte Dr. Doom per Zeitreise in seine eigene Vergangenheit schickt, um die Zukunft zu ändern. Die Mission im Detail: verhindern, dass der gutmütige Erfinder Hophni Mason vom Tinkerer übernommen wird, der sich in der Gegenwart anschickt, eine gewaltige Invasion der außerirdischen Vedomi anzuzetteln. Mit von der Partie sind niemand anders als der ehemals größte Spidey-Hasser James Jonah Jameson himself, der mittlerweile Bürgermeister und geläuterter Spinnen-Fan ist, sowie Teresa, die nicht nur Shield-Agentin, sondern vielleicht sogar Peters Schwester ist. In dieser Formation reist man also nach Queens, in eine wunderbar anachronistische Version der späten 60er mit allen klassischen Feinden des alten Netzkopfs: Norman Osborn ist noch selbst der grüne Kobold, und auch der junge Spider-Man selbst staunt nicht schlecht, als ihm sein älteres Ego entgegentritt und ihn warnt, was in der Zukunft alles geschehen könnte.
Die ganze Chose geht – natürlich – gehörig schief: der alte JJJ verrät seinem jüngeren Ich, dass sein junger Hotshot-Photograph eigentlich der freundliche Nachbar Spinne ist, um den Bugle-Chef zur Raison zu bringen. Das kriegt der Kobold spitz und macht munter Jagd auf Peters Lieben – aber mit doppelter Spinnenkraft gelingt es doch noch, Tante May sowie den Tag zu retten und die Zukunft hinzudrehen… aber die Rückkehr ist dennoch alles andere als harmonisch. Denn man landet versehentlich in einer parallelen Zeitlinie, in der Peter Parker aufgrund der eindringlichen Warnungen seines älteren Ichs (ihr wisst schon, das mit der Verantwortung) alles hingeschmissen hat und lieber Großindustrieller geworden ist. Und damit nicht genug Norman Osborn ist Präsident und hat seinen Sohn als Polizeichef eingesetzt, der gemeinsam mit Commissioner Octavius Jagd auf alle verbleibenden Helden wie Doctor Strange oder Captain America macht, die sich im Untergrund verstecken…
Neustart auch im Hause des Netzschwingers: Chip Zdarsky schickt unseren freundlichen Nachbarn Spinne auf eine abenteuerliche Achterbahnfahrt durch die eigene Vergangenheit und schlägt damit viele Fliegen mit einer Klappe. Zunächst wird er mit diesem Kunstgriff den gehörigen Ballast los, der sich in der Spinnengegenwart angesammelt hat und den man ja im Rahmen des „Neustarts“ mit einer Rückkehr der echten Helden beseitigen möchte. Besonders schön gelingt dabei aber das feine Spiel mit den Zeitparadoxa, die sich ergeben, als Spidey und auch JJJ auf ihre jeweils jungen Gegenüber treffen: denn Zdarsky schafft geschickt wunderbare leichte Variationen ikonischer Szenen aus der reichhaltigen Spider-Man-Historie, so etwa, als ihn der grüne Kobold an einem Kabel gefesselt hinter seinem Gleiter herschleift wie in der legendären Storyline, als Norman Osborn die Geheimidentität unseres Helden entschlüsselt (wir verfolgten diese Hefte mit heißen Ohren in der Inkarnation des seligen Williams-Verlags). Ebenso zu Ehren kommt die alptraumhafte Szenerie, in der der Kobold Gwen Stacy von der Washington-Brücke wirft, was wir in „The Night Gwen Stacy Died“ (im Original erschienen im Juni 1973) ebenso atemlos verfolgten – wobei hier Tante May in luftiger Höhe bedroht, aber von Spidey gerettet wird.
Auch im Sprung in die Zukunft baut Zdarsky solche Querverweise ein: wenn die gesamte Storyline schon „No More!“ heißt, muss natürlich auch das sattsam bekannte Panel erscheinen, in dem ein desillusionierter Peter Parker sein Kostüm in die Mülltonne stopft (erstmals zu sehen in „Spider-Man No More!“ aus dem Jahr 1967). Brillantes Detail: Teresa schnappt sich in Peters Kinderzimmer ein Marvel-Comic, auf dem sogar die Original-Muskel-Aufbau-Futter-Werbung aus den 60ern zu sehen ist, auf der ein gewisser Arnold Schwarzenegger eine Dame auf dem Arm trägt. Dazu kommen noch diverse Time Travel-Gags à la Terminator und dem eingangs zitierten Marty McFly, was die Chose durchaus amüsant und schmissig zu lesen macht. Inszeniert ist das Ganze von Adam Kubert stilecht im wohligen 60er-Duktus, was auch optisch einen wunderbaren Wiedererkennungswert schafft. Weniger essentiell sind die auch dazu gewürfelten kurzen Stories aus diversen Annuals und Sonderausgaben (u.a. von Mike Allred gezeichnet), die dem Gesamtvergnügen allerdings keinen Abbruch tun. Der vorliegende Band versammelt die US-Hefte „The Amazing Spiderman“ 789, „Peter Parker: The Spectacular Spider-Man“ 301-306 sowie das „Peter Parker: The Spectacular Spider-Man Annual“ von 2017. Weiter geht’s dann mit Band 2 im Juni. (hb)
Peter Parker: Der Spektakuläre Spider-Man, Band 1: Im Netz der Nostalgie
Text: Chip Zdarsky
Bilder: Adam Kubert, Joe Quinones, Mike Allred
156 Seiten in Farbe, Softcover
Panini Comics
16,99 Euro
ISBN: 978-3-7416-1110-0