Lustiges Taschenbuch, Band 506: Tatort Entenhausen (Ehapa)

Juni 6, 2018

Rituale sind so eine Sache, das kann man ja nicht immer so ganz nachvollziehen. Beweismittel 1 hierfür: das allsonntägliche Tatortanschauen – um danach festzustellen, dass diese Folge wieder einmal „nicht so tolle“ war. Wo früher ordentliche Schlapphüte ermittelten und bestenfalls ein rumpliger Ruhrpott-Oberlippenbart-Träger für Stimmung sorgte, gibt es heute ab 20:15 entweder Gewaltexzesse, verkrachte Existenzen oder gähnende Langeweile. Wie gut, dass dem in Entenhausen nicht so ist: denn hier können wir getrost auf den ewigen Chaoten Donald vertrauen, der ordentlich Schwung in die Bude bringt. Weil er wieder einmal Ärger mit seinem Arbeitgeber, dem alten Knauser Dagobert, hat, verfällt der glühende Krimi-Fan auf die Idee, doch einfach selbst zur Kripo zu stoßen.

Das passt ganz gut zusammen, rätselt die Staatsgewalt in Entenhausen doch gerade über einen mysteriösen Diebstahl: aus dem städtischen Museum ist die wertvolle Statue „Der Liegende“ von Gustl Rodäng entwendet worden. Um die Diebe hinters Licht zu führen, heckt der leitende Ermittler Kommissar Schimauski einen kühnen Plan aus: man schiebt eine möglichst trottlige Figur vor, damit die Lumpensöhne sich in Sicherheit wiegen und die wahren Spürhunde in Ruhe die Fährte aufnehmen können. Und wer könnte für diese Rolle besser geeignet sein als der ewige Tollpatsch Donald – der dann allerdings doch auf seine verquere Art zur Lösung des Rätsels beiträgt…

Szenenwechsel: Filmfest Goldener Strauß in Entenhausen! Gespannt warten auch Micky und Goofy auf die Uraufführung des lange verschollenen Spätwerks „Operation Rache“ des legendären Regisseurs Wladimir Wundersam, der jede Vorstellung seines Films eigentlich verboten hatte. Aber es kommt zum handfesten Skandal: offenbar wurden die Filmrollen gestohlen. Festivalleiterin Flora Flimmer erhält Morddrohungen und schaltet daher den Privatdetektiv Micky ein, der sich mit seinen Kompagnon Goofy auf die Suche nach den Hintergründen macht. Irgendwie muss der Neffe Wundersams ebenso in die Sache verwickelt sein wie Produzent Bodo Blond – und alles läuft auf die düsteren Ruinen der alten Traumfabrik zu…

Die ikonischen Eingangssequenzen des TV-Dauerläufers dürften wohl jedem Fernsehzuschauer bekannt sein, der aus der Generation stammt, als es noch Ansager gab, die die Menschen „vor den Geräten“ begrüßten. Genau dieser Tatort-Vorspann – gehetzt blickende Augen, psychedelische Streifen, rennende Beine, dazu die Musik von Klaus Doldinger – eröffnet (natürlich mit Donald im Mittelpunkt) auch den Reigen dieser Stories, in der sich unterschiedlichste Duckburg-Bewohner auf kriminalistische Spurensuche begeben. Die erste Story steht dabei ganz im parodistischen Duktus einer liebevollen Hommage: der raubeinige Chefermittler mit seinen burschikosen Methoden und Sprüchen verneigt sich natürlich vor dem legendären Schimanski, inklusive der legendären Schimpftiraden, die in den seligen 80ern ja zu Diskussionen führten: „Das ist Sch… aber das darf ich ja nicht sagen“.

Die limitierte Sammleredition mit signiertem Druck von Flemming Andersen

Auch andere Ermittlerbesetzungen kommen zu Ehren, darunter auch ein gewisser Kommissar Thiel aus Münster, der mit seinem Sidekick vor allem durch gestelzte Reden auffällt. Dem dänischen Gespann aus Autor Gorm Transgaard und Zeichner Flemming Andersen gelingt hier in der Tat eine amüsante Ansammlung von Ehrerbietungen und Seitenhieben, die Freunden der mehr oder weniger gepflegten Fernsehunterhaltung bestens gefallen sollte. In der „Traumfabrik“ verwurstelt Paolo Mottura dann verschrobene, erst gefeierte, dann verkannte Filmgenies wie Orson Welles oder Howard Hughes zu einer spaßigen Detektivgeschichte, in der Micky gewohnt treffsicher an der Seite des Trottels Goofy und Kommissar Hunter agiert. Wunderbar hier vor allem die kleinen Kino-Persiflagen, als etwa beim Filmfestival ein gewisser Silvio Silvestri ganz im Geiste von Rambo lapidar feststellt: „Da fragt mich doch der Typ, was das rote Licht macht. Und ich sagte, es leuchtet rot.“

Die Phantomias-Story „Das Erwachen der Vergangenheit“, in der ein Alien-Robot dringend die Menschheit „evakuieren“ möchte, serviert dann eine etwas abgefahrene Variante kultiger Invasions-B-Movies vom Schlage „It Came From Outer Space“, „The Day The Earth Stood Still“ oder „Invaders From Mars“, und auch die weiteren Kapitel „Die Eine-Million-Taler-Münze“, „Mathematik macht Müde“ oder „Im Landknasthof“ stellen die kriminalistische Ader eher in den Hintergrund. Dennoch eine launige Kompilation, die neben der Titelstory auf 250 Seiten einiges Material nachdruckt, das bereits anderweitig zu haben war („Die Traumfabrik“ z.B. stammt von 2014). Echte Fans können noch zwischen einer LTB Collectors Edition mit einem signiertem Druck (Auflage 1000 Exemplare) und einem Fanpaket inkl. Notizbuch, Kuli und Poster wählen. (hb)

Lustiges Taschenbuch, Band 506: Tatort Entenhausen
Text: Gorm Transgaard, Paolo Mottura, Enrico Faccini u.a.
Bilder: Flemming Andersen, Paolo Mottura, Enrico Faccini u.a.
256 Seiten in Farbe, Softcover
Egmont Ehapa Verlag
6,50 Euro

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